Bei Menschen mit Neurodermitis ist das Immunsystem überaktiviert und reagiert besonders empfindlich auf äußere Reize wie Allergene oder Stress.1

Doch wie funktioniert das Immunsystem bei einem hautgesunden Menschen überhaupt und welche Aufgaben hat es normalerweise?

Im Überblick: Die Funktionsweise unseres Immunsystems

Das Immunsystem ist ein komplexes Zusammenspiel von Zellen, Geweben, Proteinen und Organen und schützt den Körper vor Krankheiten. Um uns gesund zu halten, erkennt und bekämpft es Krankheitserreger wie Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten, die über Haut, Schleimhäute, Mund und Atemwege in den Körper gelangen. Es setzt sich im Wesentlichen aus zwei Komponenten zusammen: dem angeborenen und dem erworbenen Immunsystem.2

  • Das angeborene Immunsystem ist die erste Verteidigungslinie des Körpers. Es reagiert auf eintreffende Krankheitserreger. Allerdings kann es kaum zwischen den verschiedenen Erregern unterscheiden und ist daher nur begrenzt in der Lage, die Ausbreitung einer Krankheit zu verhindern.
  • Das erworbene Immunsystem reagiert spezifischer und gezielter auf bestimmte Krankheitserreger. Es verfügt darüber hinaus über ein Gedächtnis, das es ihm ermöglicht, sich an Krankheitserreger zu erinnern, die es bereits bekämpft hat. Kommt es also zu einer Infektion mit einem bekannten Erreger, kann das erworbene Immunsystem schneller und spezifischer reagieren.3
Eine weitere wichtige Aufgabe des Immunsystems ist die Unterscheidung zwischen körpereigenen und körperfremden Zellen. Dies geschieht, indem das Abwehrsystem mit Hilfe von Antigen-Rezeptoren sogenannte Antigene erkennt. Antigene sind Stoffe, die als körperfremd angesehen werden. Beispielsweise können Krankheitserreger wie Bakterien, Viren oder Pilze aber auch Pflanzenpollen oder Tierhaare Antigene sein, die das Immunsystem irritieren und die Antikörperproduktion anregen. Für jedes Antigen gibt es einen passenden Antikörper. Dieser greift das Antigen an und macht es unschädlich. Durch Krankheiten lernt unser Körper die Unterscheidung zwischen guten und schlechten Zellen und bildet ein immunologisches Gedächtnis aus. Bei erneutem Kontakt mit dem gleichen Antigen kann das Immunsystem den Erreger schnell erkennen und bekämpfen, da bereits Antikörper gebildet wurden.4

Was passiert, wenn das Immunsystem überreagiert?

Wenn das Immunsystem zu stark reagiert, kann dies zu einer Reihe von gesundheitlichen Problemen führen. Ein Beispiel dafür sind Allergien. Bei einer Allergie reagiert das Immunsystem überempfindlich auf bestimmte, normalerweise harmlose Stoffe. Das können Pollen, Tierhaare oder bestimmte Nahrungsmittel sein.
 
Dringt ein allergieauslösender Stoff in den Körper ein, wird er vom Immunsystem fälschlicherweise als Bedrohung erkannt und eine Abwehrreaktion in Gang gesetzt. Dabei werden große Mengen Entzündungsstoffe, z.B. Histamin, freigesetzt. Das führt zu typischen Allergiesymptomen wie Niesen, Juckreiz oder Hautausschlag.6

Eine andere Form der Überreaktion wird als Autoimmunkrankheit bezeichnet.7 Bei einer Autoimmunerkrankung greift das Immunsystem körpereigenes Gewebe und körpereigene Zellen an, als ob es sich um fremde Eindringlinge handeln würde. Die Folgen können je nach betroffenem Organ oder Gewebe sehr unterschiedlich sein.

In beiden Fällen ist es wichtig, die Ursachen für die überschießende Reaktion des Immunsystems zu erkennen. Nur so können geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um die Symptome zu lindern und die Überreaktion zu regulieren.

Wie hängen Immunsystem und Neurodermitis zusammen?

Zellen und Botenstoffe des Immunsystems spielen eine wichtige Rolle bei der Neurodermitis. Dringen Fremdstoffe in die Haut ein, werden spezielle Abwehrzellen aktiviert. Die Kommunikation zwischen den Immunzellen erfolgt über Botenstoffe. Sie leiten Signale weiter. Diese Botenstoffe können die Entzündung entweder fördern oder hemmen.8

Im Falle der Neurodermitis sind T-Helferzellen beteiligt, die Botenstoffe wie Interleukine produzieren. Durch diese Interleukine werden Immunreaktionen ausgelöst, die zu Entzündungen der Haut, Juckreiz und einer geschwächten Hautbarriere führen. Innerhalb der Zelle werden die Signale der Interleukine von Januskinasen an den Zellkern weitergeleitet und die Entzündungsreaktionen ausgelöst. Bei Neurodermitis sind bestimmte Botenstoffe wie Interleukine überaktiviert und verursachen die typischen entzündlichen Prozesse. Zur Verminderung der Entzündung ist die Hemmung ihrer Wirkung und die Wiederherstellung des Gleichgewichts im Immunsystem wichtig.3

Immunmodulatorische Therapieansätze bei Neurodermitis

Neben der Ernährung, der körperlichen Aktivität und der Stressbewältigung spielen immunmodulatorische Therapieansätze bei der Herstellung des Gleichgewichts im Immunsystem eine wichtige Rolle. Immunmodulatorische Therapien zielen darauf ab, überschießende Immunantworten zu modulieren und zu regulieren. Dadurch sollen Entzündungsreaktionen in der Haut reduziert werden.

Dazu gehören Medikamente wie etwa topische Hemmstoffe, die direkt auf die Haut aufgetragen werden und die Aktivität der Immunzellen in der Haut hemmen. Diese Medikamente können dazu beitragen, die Entzündung zu reduzieren und die Symptome der Neurodermitis zu lindern.8

Bei schwerer Neurodermitis können systemische Immunsuppressiva verordnet werden. Sie unterdrücken das Immunsystem und reduzieren die Entzündung. Diese Medikamente werden in der Regel nur bei schweren Fällen von Neurodermitis eingesetzt, die auf eine topische Behandlung nicht ansprechen.9

In den letzten Jahren wurden in Deutschland moderne systemische Behandlungsmethoden für mittelschwere bis schwere Neurodermitis zugelassen, zum Beispiel Antikörper gegen bestimmte Strukturen des Immunsystems (auch Biologika genannt) und sogenannte Januskinase-Hemmer (JAK-Inhibitoren). Diese modernen Therapieoptionen setzen an unterschiedlichen Stellen des Immunsystems an. Dort hemmen sie die Übertragung entzündungsfördernder Botenstoffe und besänftigen einen Teil des Immunsystems, der bei Menschen mit Neurodermitis überaktiv ist.10,11

Die Wahl der geeigneten immunmodulatorischen Therapie hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehören der Schweregrad der Neurodermitis, die individuelle Krankheitsgeschichte der Patientin bzw. des Patienten und mögliche Nebenwirkungen der Behandlung. Wichtig ist, dass die Therapie, um bestmögliche Ergebnisse zu erzielen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern, in enger Absprache mit einer Hautärztin oder einem Hautarzt erfolgt, die oder der den Behandlungsplan entsprechend anpassen kann.

Tipps zur Stärkung des Immunsystems bei Neurodermitis

  • Regelmäßige Hautpflege: Eine regelmäßige und angepasste Hautpflege ist entscheidend für die Stärkung der Hautbarriere und die Vorbeugung von Infektionen. Achte darauf, dass deine Haut gut gepflegt ist und verwende milde, feuchtigkeitsspendende Produkte ohne reizende Inhaltsstoffe.
  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit einem hohen Anteil an Obst und Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten kann zur Stärkung des Immunsystems beitragen. Verzichte auf stark verarbeitete Lebensmittel, da diese die Entzündung fördern können.
  • Umgang mit Stress: Stress kann zu einer Erhöhung der Entzündungswerte im Körper und zu einer Verschlechterung der Symptome bei Neurodermitis führen. Um Stress abzubauen und das Immunsystem zu stärken, können Entspannungstechniken wie Meditation, Yoga oder Atemübungen helfen.
  • Regelmäßige Bewegung: Sport und körperliche Aktivität stärken das Immunsystem. Wähle Aktivitäten, die dir Spaß machen und die du regelmäßig durchführst.
  • Informiert bleiben: Bleibe in engem Kontakt mit deiner behandelnden Dermatologin oder deinem behandelnden Dermatologen und überprüfe in regelmäßigen Abständen, ob deine aktuelle Behandlung noch wirksam für dich ist. Informiere dich über neue und moderne Therapiemöglichkeiten, die bei der Kontrolle deiner Neurodermitis-Symptome und bei der Unterstützung deines Immunsystems helfen können.
Quellen