Romina, du hast uns erzählt, dass du schon dein ganzes Leben lang an Neurodermitis leidest. Das ist aber noch nicht alles, oder?

Ja, das stimmt beides. Neurodermitis wurde bei mir festgestellt, als ich noch ein Baby war. Hinzu kommen aber auch noch zahlreiche Allergien, zum Beispiel gegen Nüsse, Zitrusfrüchte, Steinobst, Erdbeeren oder Kiwi. Wenn ich die esse, bekomme ich Atemnot, der Hals schwillt zu, es bilden sich Quaddeln auf der Haut und mir wird schlecht. Darüber hinaus habe ich eine Allergie gegen sämtliche Gräserpollen, sodass Augentropfen oder Tabletten das ganze Jahr über meine ständigen Begleiter sind. Dann reagiere ich noch auf Hausstaub und Milben, Tierhaare, Pflegeprodukte mit starken Duftstoffen und Nickel. Ich bin also gefühlt auf alles allergisch, was man sich so vorstellen kann und was typisch ist als Begleiterkrankung der Neurodermitis.

Existiert bei dir denn eine familiäre Vorbelastung?

Ja, und zwar auf beiden Seiten. Sowohl mein Vater als auch meine Mutter haben Heuschnupfen und meine Mutter hatte als Kind Schuppenflechte. Ich denke, dass ich dadurch schon von Geburt an ein erhöhtes Allergierisiko hatte und das auch letztlich dazu beigetragen hat, dass ich Neurodermitis bekommen habe.

Was hat dich persönlich immer am meisten an der Neurodermitis belastet? Was verursachte den größten Leidensdruck?

Der Juckreiz, der niemals aufhört. Man kann sich das ungefähr so vorstellen wie bei einem Mückenstich, der nicht aufhört zu jucken. Auch wenn einem noch so oft gesagt wird, man solle nicht kratzen, kann man das einfach nicht abstellen. Es ist wie ein Zwang. Du kratzt, bis es blutet, bis du aussiehst wie ein Streuselkuchen. Und das alles hast du dir im Endeffekt selbst zugefügt. Wenn man dann mitten im akuten Schub ist und wie in meinem Fall häufig Stellen betroffen sind, die man nicht verdecken kann, leidet man natürlich auch unter den Blicken und Kommentaren von anderen. Ich hatte daher immer das Gefühl, dass ich ausgegrenzt werde. Gerade als Jugendliche ist das nicht einfach, da man ja noch mitten in der Entwicklung steckt und sich ohnehin erst einmal finden muss in seinem Körper.

Wie gehst du mit Blicken und Kommentaren in der Öffentlichkeit um?

Mittlerweile komme ich ja glücklicherweise gar nicht mehr in solche Situationen, da ich dank einer Biologika-Therapie keine Symptome mehr habe, die für andere sichtbar wären. Ich kann mich aber noch sehr gut erinnern, wie es davor war. Meine Reaktion hing immer davon ab, wie es mir selbst gerade ging und natürlich auch, wie ich angesprochen wurde. Beim Tanzen habe ich meine Gruppen immer direkt zu Trainingsbeginn darüber informiert,

neurodermitis betroffenen berichten romina interview abwehr

wenn ich gerade oder kurz vorher einen Schub hatte, dessen Auswirkungen noch deutlich zu sehen waren. Dann war das Thema eigentlich gegessen. Bei Fremden, die mich nett und höflich gefragt haben, habe ich mir gern die Zeit genommen, um zu erklären, dass ich Neurodermitis habe, was das bedeutet und dass es nicht ansteckend ist. Wer allerdings mit einem blöden Spruch auf mich zugekommen ist, der musste damit rechnen, dass ich ebenso konterte.

Wie hast du deine Neurodermitis behandelt, bevor du eine Biologika-Therapie erhalten hast? Welche Erfahrungen hast du mit verschiedenen Neurodermitis-Behandlungen gemacht?

Ich habe alles Mögliche ausprobiert. Als Kleinkind und als Kind erst einmal natürlich nur äußerlich mit Urea-Cremes und auch Zinksalben, die in der Apotheke angerührt wurden. Letztere waren immer dann sinnvoll, wenn die Ekzeme stark nässten. Als Jugendliche war dann auch immer mal wieder eine kortisonhaltige Creme dabei, eine Zeit lang auch höher dosiert. Zwischenzeitlich hatte ich auch immer mal wieder Beulen unter der Haut, für die mein Hautarzt mir eine sehr starke Kortisoncreme mit einem antibakteriellen Zusatz verschrieben hat. Das waren bakterielle Infektionen mit Staphylokokken, die aus den ganzen offenen Wunden vom Kratzen entstanden sind. Zurück blieben nach der Behandlung mit der Kortisoncreme dann nur ein paar dunkle Flecken auf der Haut. Dann hatte ich irgendwann auch innerlich wirkende Medikamente, sogenannte Immunsuppressiva. Gebracht hat das alles aber eher wenig. Seit Dezember 2020 bekomme ich nun eine Biologika-Therapie, mit der ich zum ersten Mal in meinem Leben praktisch erscheinungsfrei geworden bin. Das ist ein unglaublich gutes Gefühl. Ich weiß zwar, dass ich Neurodermitis habe, aber sie ist unsichtbar und deshalb fühle ich mich auch nicht mehr krank.

Stichwort Creme: Basispflege ist bei Neurodermitis ja ein ganz wichtiges Thema. Worauf achtest du bei der Wahl von Duschgel, Shampoo, Creme und Co.?

neurodermitis betroffenen berichten romina basispflege pflegeprodukte

Ich habe schon viel ausprobiert und wechsle auch nach wie vor häufig, da ich das Gefühl habe, dass meine Haut reagiert, sobald sie sich an ein bestimmtes Produkt gewöhnt hat. Mir helfen am besten Cremes, die viel Feuchtigkeit enthalten, aber keine Duftstoffe. Jede neue Creme teste ich an einer Stelle, von der ich weiß, dass die Haut dort schnell reagiert, bevor ich sie großflächig auftrage. Duschgel kann ich mittlerweile nur noch aus der Apotheke verwenden, Shampoos aus der Drogerie. 

Auch da habe ich immer zwei bis drei unterschiedliche in der Dusche stehen, zwischen denen ich dann regelmäßig wechsle. Da meine Kopfhaut vom täglichen Haarewaschen sehr trocken und schuppig wurde, habe ich das ein bisschen reduziert und lasse die Haare auch mal eine Woche durchfetten, damit sich meine Kopfhaut wieder regeneriert. Wenn ich wirklich viel Sport gemacht und stark geschwitzt habe, dann nehme ich gezwungenermaßen auch schon mal ein Duschgel mit Duft oder ein Stück Seife – allerdings auch nur unter den Achseln oder an den Füßen und nie am ganzen Körper.

Schminkst du dich auch mit speziellen Produkten?

Wenn ich mich schminke, dann beschränke ich mich eigentlich immer auf drei Dinge und das sind Augenbrauen-Stift, Mascara und Kajal-Stift. Zum einen bin ich nicht der Typ, der viel Make-up trägt, zum anderen ist es auch so, dass ich Lidschatten zum Beispiel nicht wirklich vertrage. Nach dem Abschminken röten sich die entsprechenden Stellen stark, sodass ich mir dreimal überlege, ob es mir das wert ist oder ich doch lieber bei meinen erprobten Basics bleibe.

Sport spielt in deinem Leben eine wichtige Rolle – sowohl privat als auch beruflich. Was machst du anders als Hautgesunde?

Wenn es um das Thema Sport geht, dann muss sich meine Neurodermitis hintenanstellen. Da lasse ich mich nicht ausbremsen, denn ein Leben ohne Sport kann ich mir nicht vorstellen. Dennoch laufen bei mir einige Dinge anders als bei Hautgesunden. Wenn ich zum Beispiel weiß, dass ich mehrere Kurse hintereinander gebe, dann muss ich dafür sorgen, dass ich das auch durchhalte, ohne mich wie verrückt zu kratzen. Schweiß und enge Sportkleidung sind die perfekte Voraussetzung für ausgeprägten Juckreiz. Deshalb versuche ich dann, nicht schon im ersten Kurs Vollgas zu geben und schweißgebadet in den nächsten zu starten. Das gelingt, indem ich dann eben nicht ganz so intensiv mitmache. Ich habe also schon eher die Tendenz, wenig zu schwitzen, um das Kratzen in Schach zu halten.

Gab es schon mal eine Situation, bei der dich ein Schub daran gehindert hat, zum Sport zu gehen?

Ja, die Situation gab es sicherlich schon. Schweiß reizt die Haut. Wenn ich gerade mitten in einem Schub war und die Haut ohnehin schon stark reagierte, dann habe ich manchmal tatsächlich lieber verzichtet. Dass Schwitzen zu weiteren Reizungen führt, ist die eine Sache. Je mehr man schwitzt, umso nötiger hat man aber auch eine Dusche und jeglicher Wasserkontakt trocknet die Haut bekanntermaßen noch weiter aus. Daraus resultiert ein Teufelskreis, den ich versuche zu vermeiden.

Würdest du anderen Betroffenen denn grundsätzlich empfehlen, trotz Neurodermitis Sport zu machen?

Ich selbst kann mir ein Leben ohne Sport wie gesagt nicht vorstellen. Letztendlich muss jeder für sich herausfinden, was für ihn persönlich das Beste ist. Das gilt sowohl für das Thema Sport als auch für die Ernährung. Man sollte generell positiv an alles herangehen und erst einmal ausprobieren. Ausreden gibt es immer und für alles. Man muss sich ja nicht derart auspowern, dass man schweißgebadet ist. Es gibt so viele andere Möglichkeiten wie beispielsweise Pilates. Das ist auch anstrengend und fordert den Körper. Es lässt sich in Bezug auf das Schwitzen aber prima mit der Neurodermitis vereinbaren. Ich habe für mich herausgefunden, dass ich mein Leben leben kann, ohne Verzicht – ich muss dann nur mit den jeweiligen Konsequenzen klarkommen und das tue ich.

Hat deine Neurodermitis jemals deine Berufswahl oder deinen beruflichen Werdegang beeinflusst?

Nein. Für mich stand sehr schnell fest, dass ich beruflich etwas mit Sport machen will. Was die Berufswahl angeht, habe ich die Neurodermitis daher nicht um Erlaubnis gebeten. Die musste da einfach mit durch. Im Studium spielte sie auch nicht wirklich eine Rolle. Bei den anderen ADTV-Tanzlehrerinnen und -lehrern, die ich während meiner Ausbildung kennengelernt habe, gab es interessanterweise einige, die ebenfalls betroffen waren. 

neurodermitis-betroffenen berichten romina latein amerikanisch

Zwar hatten sie die Neurodermitis nicht so stark wie ich, aber es war schon irgendwie beruhigend, dass ich nicht die Einzige war. Im Umgang mit den anderen Mitarbeitenden in der Tanzschule war meine Neurodermitis nie ein Thema. Es waren dann eher Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer, die mich besorgt darauf angesprochen haben, nach dem Motto: „Was hast du? Bist du krank? Solltest du nicht besser zu Hause bleiben?“ Ich habe dann erklärt, dass es sich nur um eine Hauterkrankung handelt, die nicht ansteckend ist, und dann war es auch okay.

Was wünschst du dir für andere Betroffene?

Dass sie leichter an eine wirksame Therapie kommen und dass der Weg dorthin nicht so lang ist. Ich würde mir wünschen, dass mehr Menschen über ihren Therapieerfolg, beispielsweise mit einer Biologika-Therapie sprechen, darüber, dass es diese Option überhaupt gibt, denn viele Ärztinnen und Ärzte weisen von sich aus vielleicht gar nicht darauf hin. Und auch, dass man weiterforscht, damit solche Wirkstoffe künftig auch auf anderen Wegen in den Organismus gelangen können. Ich komme mit den zweiwöchentlichen Spritzen prima klar, aber Menschen mit Spritzenangst sind sicher froh, wenn sie stattdessen eine Tablette nehmen können.

Liebe Romina, vielen Dank für das Gespräch.

In deiner Haut steckt niemand geringeres als du selbst und zwar dein ganzes Leben lang. Umso wichtiger ist es, dass du dich darin so wohl wie möglich fühlst – trotz Neurodermitis. Heute gibt es gute Möglichkeiten, dies zu erreichen. Warum sich also mit weniger zufriedengeben? Sprich mit deiner Hautärztin bzw. deinem Hautarzt!