Tattoos gehen unter die Haut – Was raten Expertinnen und Experten?

Bei der Frage nach Tätowierungen sind sich die meisten dermatologischen Expertinnen und Experten einig: sie raten davon ab. Doch warum? Beim Tätowieren werden tausende kleine Wunden in die Haut gestochen. Dies ermöglicht es Keimen während des Regenerationsprozesses leichter einzudringen – ein Nährboden für Entzündungen. Gerade bei Neurodermitis-Betroffenen kann es dadurch zu starken Schüben und Ekzemen kommen. Zusätzlich kämpft das Immunsystem gegen die „Eindringlinge“ und produziert verstärkt Abwehrstoffe (Antikörper) wie Immunglobulin E (IgE), das überwiegend in der Haut und in den Schleimhäuten zu finden ist. IgE ist für die Freisetzung von Histamin verantwortlich. Und je mehr IgE gebildet wird, umso mehr Histamin wird ausgeschüttet, wodurch Entzündungsprozesse gefördert werden. Die Folge ist eine Sensibilisierung des Immunsystem, es reagiert nun auch auf vermeintlich harmlose Stoffe wie Blütenpollen, Tierhaare oder Inhaltsstoffe von Pflegeprodukten. Dr. Schwichtenberg, Facharzt für Dermatologie und Allergologie und Vorstandsmitglied des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen e.V. (BVDD), rät Menschen mit atopischem Ekzem von Tätowierungen ab. „Die Haut bei Neurodermitis hat eine angeborene Barrierestörung und ist in besonderem Maße irritierbar. Die Lokalreaktion direkt nach der Tätowierung kann stärker ablaufen als bei unbeeinträchtigter Haut. Das Infektionsrisiko ist höher und die mechanische Verletzung der Haut kann einen Erkrankungsschub triggern. Bei Tätowierungen kann es zu kontaktallergischen oder Fremdkörperreaktionen kommen. Dies gilt für jeden Menschen, kann aber beim atopischen Ekzem schwieriger zu behandeln sein.“

Zusätzlich ist die gestörte Hautbarriere besonders schutzbedürftig gegenüber der Sonne, denn die Strahlen können leicht in die tieferen Hautschichten geraten. Auch Jahre nach dem Stechen kann die Haut stark auf Reizungen reagieren. Der dadurch entstehende Juckreiz kann krankheitsbedingtes Brennen und Jucken noch verstärken.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt, dass Personen, die Antibiotika einnehmen oder eine immunsuppressive Therapie erhalten, sich nur nach Rücksprache mit einem einer Ärztin bzw. einem Arzt tätowieren lassen oder ganz darauf verzichten sollten.1 Stiftung Warentest rät Menschen mit Neurodermitis sogar ganz davon ab, sich tätowieren zu lassen.2

Tattoos bei Neurodermitis – Was gibt es zu beachten?

Wer der Versuchung eines Tattoos nicht widerstehen kann, sollte einige Punkte beachten. So sind eine gute Vor- und Nachbereitung das A und O.

1. Losgehen sollte es mit einer vorherigen Absprache mit der behandelnden Hautärztin oder dem behandelnden Hautarzt. Gemeinsam kann der aktuelle Hautzustand überprüft und eventuelle Risiken bzw. die nachträgliche Pflege besprochen werden. Die Dermatologin oder der Dermatologe weisen u.a. darauf hin, dass Neurodermitis-Betroffene mindestens sechs Monate symptomfrei sein und sie sich nicht während eines Schubes tätowieren lassen sollten.

2. Der zweite Weg sollte zur Tätowiererin oder zum Tätowierer des Vertrauens führen. Für sie bzw. ihn ist es wichtig über die Erkrankung Bescheid zu wissen. Gemeinsam kann eine Hautstelle gewählt werden, die während eines aktiven Schubes eventuell weniger stark betroffen ist. Das könnte die Gefahr verringern, dass diese Hautstelle extrem trocken ist oder später vernarbt.

3. Auch ein allergischer Test auf die Inhaltsstoffe der Tinte kann bei der Vorbereitung auf ein Tattoo hilfreich sein. Viele Farben enthalten bspw. Metalle wie Nickel, Chrom oder Kobalt. Ein vertrauensvolles Tattoo-Studio kann die Farben nennen, die es beim Tätowieren verwendet, und Betroffene können mit Hilfe eines Allergietest bei der Hautärztin oder dem Hautarzt feststellen, ob sie auf die verwendeten Farben allergisch reagieren.

„Wenn eine Tätowierung erfolgen soll, dann sind hier in besonderem Maße die Kriterien der Sterilität einzuhalten und eine intensive Hautpflege durchzuführen. Niemals sollte eine Tätowierung in einen aktiven Ekzemherd erfolgen. Bunte Farben haben ein höheres Allergierisiko, daher wenn möglich darauf verzichten.“

 

– Dr. Schwichtenberg

4. Sollte die Haut während des Stechens allergisch reagieren, beispielsweise durch starkes Jucken oder großflächige Hautreizungen, sollte die Sitzung beendet werden.

5. Nach dem Stechen sollte die Haut regelmäßig eingecremt werden, am besten mit entzündungshemmenden Cremes oder Salben, die den Heilungsprozess unterstützen und die Haut pflegen. Dieses Prozedere wird generell nach dem Tätowieren empfohlen, ist aber für Menschen mit Neurodermitis umso wichtiger. Denn bei ihnen besteht ein erhöhtes Risiko für eine Infektion oder eine verlangsamte Wundheilung.

6. Bei eventuellen Nebenwirkungen sollte die behandelnde Hautärztin oder der behandelnde Hautarzt zügig aufgesucht werden.

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Quelle: Romina Lass

„Hinterher ist definitiv viel mehr cremen als normal nötig! Allein durch den entstandenen Juckreiz (Heilungsprozess) musste ich mit cremen dagegen ankämpfen“, sagt Romina, Neurodermitis-Betroffene. Die „Bitte berühren“-Kampagnenbotschafterin hat sich bereits mit 18 Jahren das erste Tattoo stechen lassen und verrät einige ihrer Tipps und Gedanken.

Sind Tattoo-Farben schädlich für die (Neurodermitis-)Haut?

Tattoo-Farben setzen sich hauptsächlich aus Farbpigmenten, Trägerflüssigkeiten wie Wasser oder Alkohol und Verdickungs- sowie Konservierungsmitteln zusammen. Einige von ihnen weisen auch allergieauslösende Stoffe wie Nickel oder Azofarbstoffe auf und können dadurch die Neurodermitis verschlimmern. Ein möglicher Auslöser für Reaktionen ist Titanoxid, das häufig in weißer Tattoo-Farbe enthalten ist. Dieser Stoff kann die Haut reizen und unangenehmen Juckreiz hervorrufen.3 Welche Tattoo-Farben besonders schädlich und deshalb verboten sind, hält die Tattoomittelverordnung fest.4 Sie gibt allerdings keinen Aufschluss darüber, welche Farben besonders sicher oder für hautempfindliche Personen geeignet sind.

Tritt eine Allergie auf, kann der Auslöser, der nun dauerhaft in der Haut ist, nicht mehr entfernt werden. Zusätzlich hat eine Studie 2017 herausgefunden, dass 30 % der Tattoo-Farbe sich in die nächstgelegenen Lymphknoten ablagert.5 Die potenziell gesundheitsschädlichen Inhaltsstoffe sind also nicht nur auf die Haut beschränkt. Welche dauerhaften Gesundheitsschäden Tattoos anrichten können, ist derzeit noch nicht bekannt.

Kurz und knapp: Wissenswertes und Tipps zum Thema Tattoos bei Neurodermitis

  • Drum prüfe, wer sich ewig bindet: Überlege dir gründlich, ob du deine Neurodermitis-Haut durch eine Tätowierung zusätzlich belasten möchtest.
  • Guter Rat ist nicht teuer: Frag deine Ärztin oder deinen Arzt, ob ein Tattoo für dich unbedenklich ist und wie du eine Entzündung vermeiden kannst.
  • Keep calm: Achte darauf, dass du dich nicht während eines Schubes tätowieren lässt. Das kann die Ekzeme verschlimmern bzw. die Behandlung durch eine Kortisonsalbe beeinflusst negativ den Zustand der Haut.
  • Lieber vorher testen: Lass vorher einen Allergietest machen, um auf Nummer Sicher zu gehen, ob du auf die Tattoo-Farben allergisch reagierst.
  • Nicht nur wie, sondern wo: Suche dir für das Tattoo eine Hautstelle aus, die normalerweise nicht von Neurodermitis betroffen ist, damit es gut verheilt und die Haut nicht zusätzlich reizt.
  • Weniger ist manchmal nicht mehr: Pflege deine Haut vor und nach dem Stechen noch intensiver, um die beanspruchte Haut zu beruhigen und mit Feuchtigkeit zu versorgen.
  • Raus aus der Sonne: Vermeide die starke Mittagssonne und trage immer Pflege mit einem hohen Lichtschutzfaktor, um die Haut nicht noch stärker zu belasten.

In deiner Haut steckt niemand geringeres als du selbst, und zwar dein ganzes Leben lang. Umso wichtiger ist es, dass du dich darin so wohl wie möglich fühlst – trotz Neurodermitis. Heute gibt es gute Möglichkeiten, dies zu erreichen. Warum sich also mit weniger zufriedengeben? Sprich mit deiner Hautärztin bzw. deinem Hautarzt!

Quellen