Herr Pliszewski, könnten Sie sich bitte kurz vorstellen und uns einen Überblick über Ihre Rolle im Deutschen Vitiligo-Bund geben?
Ich bin 69 Jahre alt, habe seit 53 Jahren Vitiligo und bin seit der Gründung des Deutschen Vitiligo Bund e.V. im Jahr 2006 erster Vorsitzender. Der Verein ist aus der Selbsthilfe entstanden und wird komplett ehrenamtlich geführt. Wir finanzieren uns über Mitgliedsbeiträge und Fördergelder der gesetzlichen Krankenkassen. Unsere Arbeit richtet sich an alle Menschen mit Vitiligo, Angehörige und Interessierte – unabhängig davon, ob sie Mitglied sind oder nicht.
Welche Ziele verfolgt der Deutsche Vitiligo Bund heute?
Unser Motto lautet „Information statt Resignation“. Wir wollen Betroffenen fundierte Informationen bieten, sie bei medizinischen und psychosozialen Fragen unterstützen und den Austausch untereinander fördern. Dabei geht es nicht nur um Selbsthilfegruppen, sondern auch um die Vertretung der Patienteninteressen in gesundheitspolitischen Gremien und die Zusammenarbeit mit Fachgesellschaften, sowie internationalen Patientenorganisationen.
Welche Angebote gibt es konkret für Betroffene und Angehörige?
Wir bieten persönliche Beratung per Telefon oder E-Mail, vermitteln Kontakte zu Selbsthilfegruppen und stellen Informationsmaterial zu Themen wie „Vitiligo und Psyche“ oder „Vitiligo bei Kindern“ bereit. Außerdem kooperieren wir mit spezialisierten Kliniken und Dermatologinnen bzw. Dermatologen, um Betroffene bestmöglich zu informieren. Dabei ist es mir wichtig zu betonen, dass der Vitiligo-Bund ausschließlich vom ehrenamtlichen Engagement seiner Mitglieder lebt. Für Angehörige, Freunde oder Kolleginnen und Kollegen gilt: Zuhören, Verständnis zeigen und nicht bevormunden. Oft hilft es, einfach da zu sein und zu signalisieren: „Du bist wertvoll, so wie du bist.“
Wie fördern Sie den Austausch zwischen Betroffenen?
Neben klassischen Selbsthilfegruppen setzen wir auf digitale Vernetzung. Über unsere Website, Social-Media-Kanäle und Newsletter erreichen wir Menschen in ganz Deutschland. Wir tauschen uns auch international aus – etwa über die von uns mitgegründete Weltorganisation für Vitiligo-Patientenorganisationen. Dieser globale Austausch hilft, neue Erkenntnisse und Materialien schnell verfügbar zu machen.
Oft reicht schon ein Gespräch, um zu merken: Ich bin nicht allein.
– Georg Pliszewski
Gibt es Kooperationen mit medizinischen Fachgesellschaften oder anderen Organisationen?
Ja, wir arbeiten eng mit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG), dem Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) und verschiedenen Universitätskliniken zusammen. Des Weiteren nehmen ich als Patientenvertreter an Sitzungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) teil. Dabei bringen wir die Perspektive der Patientinnen und Patienten ein. Unser Ziel ist es, dass medizinische und psychosoziale Aspekte gleichermaßen berücksichtigt werden.
Zurzeit bin ich an der Erstellung neuer nationaler Leitlinien für Vitiligo und für die Psychodermatologie beteiligt. Zusammen mit weiteren Patientenvertretern aus Frankreich und den Niederlanden bin ich Mitglied der globalen Vitiligo-Task-Force (VTF).
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA)
Ist das oberste Gremium der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen und vertritt das Recht von rund 74 Millionen gesetzlich Versicherten in Deutschland auf eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Gesundheitsversorgung. Zu seinen Hauptaufgaben zählen unter anderem die Bestimmung des Leistungskatalogs für die Versicherten. In diesen Richtlinien wird festgelegt, welche Leistungen die gesetzlichen Krankenversicherungen übernehmen.
Warum ist die Arbeit des DVB und die Unterstützung von Betroffenen so wichtig?
Viele fühlen sich verunsichert, ziehen sich zurück oder schämen sich. Besonders belastend ist es, wenn Gesicht oder Hände betroffen sind – die Körperstellen, die im Alltag sofort auffallen. Dadurch entsteht sehr oft eine hohe psychische Belastung, welche zu Depressionen oder Angststörungen führen kann. Dieser hohe psychische Leidensdruck ist bei Vitiligo teils weiterverbreitet als dies bei anderen chronischen Erkrankungen der Fall ist. Deshalb ist es so wichtig, dass Betroffene Unterstützung finden, sich informieren und den offenen Austausch suchen.
Ich rate: Verstecken Sie sich nicht. Offenheit kann ein wichtiger Schritt zur Akzeptanz sein – bei sich selbst und im Umfeld.
Eure Haut ist nur ein Teil von euch – eure Persönlichkeit, eure Fähigkeiten und euer Wert gehen weit darüber hinaus.
– Georg Pliszewski
Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell in der Unterstützung von Menschen mit Vitiligo?
Leider wird Vitiligo von vielen immer noch als rein kosmetisches Problem betrachtet. Das führt dazu, dass mögliche Therapien nicht immer angeboten oder ernst genommen werden. Zudem gibt es Informationslücken – sowohl bei Betroffenen als auch bei manchen Ärztinnen und Ärzten. Wir setzen uns dafür ein, dass Vitiligo als chronische Hauterkrankung anerkannt wird, die oft starke psychische Belastungen mit sich bringt und daher weit mehr als eine Bagatellerkrankung ist. Die Auswirkungen sind nicht zu unterschätzen und sollten unbedingt Beachtung finden. Eine unserer größten Aufgaben ist es, diese Botschaft verständlich und überzeugend zu vermitteln, ob bei Dermatologinnen und Dermatologen, in Fachverbänden, in den Gremien des Gemeinsamen Bundesausschusses oder direkt bei Patientinnen und Patienten sowie ihrem Umfeld.
Wie können Interessierte den Deutschen Vitiligo-Bund unterstützen?
Wir freuen uns über jede Form der Mitarbeit – ob in der Organisation, bei Projekten oder in der Öffentlichkeitsarbeit. Auch wer nur wenig Zeit hat, kann einen Beitrag leisten. Wichtig ist, dass wir gemeinsam daran arbeiten, die Situation für Menschen mit Vitiligo zu verbessern.
Versteckt euch nicht – geht offen mit der Erkrankung um, wenn ihr könnt. Das gibt nicht nur euch selbst Kraft, sondern auch anderen, die vielleicht noch am Anfang stehen.
– Georg Pliszewski
Was möchten Sie Betroffenen mit auf den Weg geben?
Suchen Sie den Austausch, informieren Sie sich und lassen Sie sich nicht entmutigen. Vitiligo ist nicht heilbar, aber behandelbar – und mit der richtigen Unterstützung lässt es sich sehr gut damit leben. Sie sind nicht allein.
„Versteckt euch nicht – geht offen mit Vitiligo um. Das gibt nicht nur euch selbst Kraft, sondern auch anderen, die vielleicht noch am Anfang stehen. Gemeinsam können wir dafür sorgen, dass Betroffene sich verstanden fühlen und die Unterstützung bekommen, die sie brauchen.“
Herr Pliszewski, vielen Dank für das Gespräch.
In deiner Haut steckt niemand geringeres als du selbst und das dein ganzes Leben lang. Umso wichtiger ist es, dass du dich darin so wohl wie möglich fühlst – trotz Vitiligo. Heute gibt es gute Möglichkeiten, dies zu erreichen. Sprich mit deiner Hautärztin bzw. deinem Hautarzt!