Scham als unsichtbarer Begleiter der Akne inversa

Akne inversa ist nicht nur eine körperlich schmerzhafte Erkrankung – sie greift auch oft tief in das Selbstwertgefühl und die Psyche der Erkrankten ein. Die Kombination aus teilweise sichtbaren Hautveränderungen oder möglichem unangenehmem Geruch kann Schamgefühle auslösen. Viele ziehen sich aus Angst vor Blicken aus sozialen Situationen zurück: Sport oder intime Nähe werden vermieden. Das Gefühl „Niemand darf das sehen“ wird zu einem ständigen Begleiter.

Viele Erkrankte vermeiden es, über befallene Körperregionen zu sprechen – selbst gegenüber dem engen Freundeskreis oder Ärztinnen und Ärzten. Die Angst vor negativen Reaktionen oder Vorurteilen führt nicht selten dazu, dass die Erkrankung lange verborgen bleibt. Das kann die seelische Belastung verstärken und den Zugang zu einer frühzeitigen Behandlung erschweren.

Leider sprechen die Patientinnen und Patienten die seelische Belastung von Akne inversa in der Praxis nicht von selbst an – man muss gezielt nachfragen. Durch den oft jahrelangen Krankheitsverlauf entsteht häufig Resignation.

– Dr. Stefanie Kirsten, Fachärztin für Dermatologie

Stigmatisierung und Missverständnisse bei Akne inversa

Weil Akne inversa äußerlich oft nicht erkennbar ist, stoßen Betroffene im Alltag manchmal auf Unverständnis. Fehlende Aufklärung führt dazu, dass die Erkrankung mit mangelnder Hygiene oder „gewöhnlicher Akne“ verwechselt wird – ein Irrtum, der zusätzlich verletzt. Dieses Unverständnis entsteht häufig, weil Außenstehende die Schmerzen, Entzündungen oder Bewegungseinschränkungen nicht sehen können und daher die Schwere der Erkrankung unterschätzen. Auch im beruflichen Umfeld oder im Freundeskreis können diese Vorurteile Auswirkungen auf den Alltag der Erkrankten haben. Im Arbeitsalltag kann das zum Beispiel bedeuten, dass Kolleginnen und Kollegen nicht nachvollziehen, warum jemand häufiger krankgeschrieben ist, bestimmte Tätigkeiten meidet oder sich aus gemeinsamen Aktivitäten zurückzieht. Solche Situationen können das Gefühl verstärken, sich erklären oder rechtfertigen zu müssen und können Betroffene zusätzlich belasten.

Ein weitverbreiteter Irrtum ist, Akne inversa sei Folge mangelnder Hygiene. Tatsächlich handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Erkrankung. Mangelnde Hygiene ist also definitiv kein Auslöser. Diese Sichtweise verstärkt die Stigmatisierung.

– Dr. Stefanie Kirsten, Fachärztin für Dermatologie

Psychische Folgen und Auswirkungen von Akne inversa

Die täglichen Erfahrungen mit Akne inversa wie Schmerzen, Einschränkungen, Blicke und Kommentare hinterlassen häufig tiefe Spuren in der Psyche. Wer immer wieder mit Unverständnis konfrontiert wird oder aus Angst vor Reaktionen Situationen meidet, trägt ein erhöhtes Risiko für Depressionen und Angststörungen, was zu einem verminderten Selbstwertgefühl führen kann.1Gefühle von Einsamkeit, Schuld und Hoffnungslosigkeit können sich einschleichen, besonders wenn die Erkrankung einen über Jahre begleitet. Viele Betroffene berichten, dass sich ein belastender Teufelskreis entwickelt: Der ständige Stress durch die körperlichen Beschwerden und die sozialen Hürden verschlimmert die Krankheit.1 Sind mehrere Körperregionen sowie der Intimbereich betroffen, erleben Patientinnen und Patienten oftmals eine spürbare Einschränkung ihrer Lebensqualität.1 So kann jeder Tag zu einer mentalen Herausforderung werden, bei der nicht nur der Körper, sondern auch die seelische Widerstandskraft gefordert ist.

Ein weitverbreiteter Irrtum ist, Akne inversa sei Folge mangelnder Hygiene. Tatsächlich handelt es sich um eine chronisch-entzündliche Erkrankung. Mangelnde Hygiene ist also definitiv kein Auslöser. Diese Sichtweise verstärkt die Stigmatisierung.

– Dr. Stefanie Kirsten, Fachärztin für Dermatologie

Unterstützung durch Umfeld und Gesellschaft bei chronischen Erkrankungen

Ein sensibler Umgang, Verständnis und offene Gespräche können helfen, die Scham zu verringern. Ärztinnen und Ärzte sowie Angehörige spielen dabei eine wichtige Rolle: Zuhören, ernst nehmen und gemeinsam nach Lösungen suchen, kann Erkrankten Mut machen. Daher hat Frau Dr. Kirsten auch folgende Botschaft an Betroffene: „Suchen Sie frühzeitig eine Hautärztin oder einen Hautarzt auf, wenn Knoten, Fisteln oder Abszesse immer wiederkehren. Mit modernen Biologika sehen wir heute bei rund der Hälfte der Patientinnen und Patienten deutliche Verbesserungen bereits nach 16 Wochen – und diese Erfolge halten langfristig an. Sie sind nicht schuld und nicht allein – Akne inversa ist behandelbar.“

Wege aus der Scham

  • Hautärztin oder Hautarzt als erste Anlaufstelle für das seelische Wohlbefinden.
  • Psychologische Hilfe, um mit den Belastungen umgehen zu können.
  • Spezialisierte Fachärztinnen und Fachärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Selbsthilfegruppen finden Patientinnen und Patienten häufig über Krankenkassen, Patientenorganisationen oder auch im Austausch mit anderen Betroffenen über Kanäle wie: „Bitte berühren“.
  • Austausch mit anderen Betroffenen kann entlasten und Mut geben.
  • Umfeld: Mehr Aufklärung, Empathie und weniger Vorurteile helfen, um die Isolation zu durchbrechen. Familie, Freunde, Kolleginnen und Kollegen können unterstützen, indem sie zuhören, sich informieren und offen über die Erkrankung sprechen – damit Erkrankte wissen: Sie sind nicht allein.

Angehörige helfen am meisten, wenn sie zuhören, unterstützen und nicht bagatellisieren – manche erleben es als große Entlastung, wenn jemand einfach da ist, ohne zu werten. Und auch die Gesellschaft kann mit Aufklärungskampagnen wie ‚Bitte berühren‘ das Stigma abbauen.

– Dr. Stefanie Kirsten, Fachärztin für Dermatologie

    In deiner Haut steckt niemand geringeres als du selbst und das dein ganzes Leben lang. Umso wichtiger ist es, dass du dich darin so wohl wie möglich fühlst – trotz Akne inversa. Heute gibt es gute Möglichkeiten, dies zu erreichen. Sprich mit deiner Hautärztin bzw. deinem Hautarzt!

      Quellen
      • 1 Zouboulis CC et al. Deutsche S2k-Leitlinie zur Therapie der Hidradenitis suppurativa / Acne inversa, Update 2024, AWMF-Register-Nr.: 013 – 012.