Die ersten Symptome richtig deuten

Die ersten Anzeichen traten bei Geraldine bereits in der Pubertät auf. Sie war 16 Jahre alt und „ich hatte angefangen, mich zu rasieren, und dachte anfangs, es sind einfach kleine Pickel oder Hautreizungen – ich dachte, es liegt an der Rasur“, erinnert sie sich.

Zunächst versuchte sie, selbst gegenzusteuern: Sie wechselte von enger Damenunterwäsche zu locker geschnittenen Herrenboxershorts und verzichtete möglichst auf die Nassrasur und nutzte stattdessen einen Trimmer, um die Reizungen zu vermeiden. „Das hat die Schübe anfangs etwas hinausgezögert, aber verschwunden sind sie nie“, sagt sie. Sie war gerade erst volljährig, als die immer wiederkehrenden Entzündungen und dann auch die Fisteln größer wurden, schmerzhafter und schließlich auch an anderen Stellen auftraten. Dies führte unter anderem dazu, dass für sie Fahrradfahren ab dem 20. Lebensjahr unmöglich wurde und längeres Sitzen oft zu schmerzhaft. Zu diesem Zeitpunkt konnte sich Geraldine nicht erklären, was diese Entzündungen auslöste.

„Das hat die Schübe anfangs etwas hinausgezögert, aber verschwunden sind sie nie.“

– Geraldine

Jahre ohne richtige Aufklärung über Akne inversa

Zum Arzt ging Geraldine aber erst mit ca. 23 Jahren. Der Hausarzt erkannte, dass es sich um eine chronische Hautkrankheit handelte und überwies sie daraufhin direkt an einen Dermatologen, der zugleich auch in der Chirurgie tätig war. Dieser stellte auch die Diagnose Akne inversa – doch die große Aufklärung blieb aus. „Mir wurde gesagt: ‚Entweder Antibiotika oder rausschneiden.‘ Mehr nicht!“ Zu diesem Zeitpunkt war es Geraldine aufgrund der Schmerzen und offenen Wunden in der Leiste nicht mehr möglich, sportlichen Aktivitäten nachzugehen.

Es folgten mehrere Antibiotika-Kuren, durch die sich die Entzündungen zwar kurzfristig besserten, aber nicht verhinderten, sodass sie immer wieder aufflammten. Erst mit 25 Jahren unterzog sie sich dann ihrer ersten Operation an der Leiste, als die Schmerzen unaushaltbar wurden. Bei dieser Operation wurden, die durch die Akne inversa verursachten Entzündungen chirurgisch entfernt, wodurch sie endlich die lang ersehnte Schmerzlinderung erfuhr. Nach eineinhalb Jahren flammten neue Entzündungsherde wieder auf und die Schmerzen begannen von Neuem.

„Es wurde nicht tief genug geschnitten – nach eineinhalb Jahren war alles wieder da.“

– Geraldine

Zu dieser Zeit wurde sie nicht ausreichend über Therapieoptionen aufgeklärt und hatte keinerlei Kenntnis von modernen Behandlungsansätzen, wie etwa Systemtherapien.

Leben mit Schmerzen und Eigeninitiative

Über Jahre hinweg lebte Geraldine mit immer wiederkehrenden Entzündungen, vor allem in der Leiste. „Ich habe mir irgendwann einen Notfallplan zurechtgelegt – Verbände, Cremes, Schonung. Zum Arzt bin ich nur noch gegangen, wenn es gar nicht mehr ging“, erzählt Geraldine über jene Zeit.

Die Erkrankung kostete sie auch beruflich Kraft. Als Physiotherapeutin musste sie Übungen vormachen, viel stehen und sich bewegen – mit offenen Wunden im Intimbereich und der Leiste oft nicht möglich. „Ich habe immer offen mit meinen Arbeitgebern gesprochen. Meistens gab es Verständnis, aber es hat mich auch zwei Jobs gekostet, weil meine Fehltage für die Unternehmen nicht mehr tragbar waren“, erinnert sie sich.

Dennoch rät Geraldine allen Betroffenen, offen mit der Erkrankung umzugehen und andere über diese chronische Krankheit aufzuklären. „Je mehr ich mich damals verschlossen habe, desto schwieriger wurde es“, erinnert sie sich. Und oft findet man sogar Unterstützung, wo man gar nicht damit gerechnet hätte.“

Diese Offenheit hat ihr sowohl im Beruf als auch privat geholfen. Bei der Arbeit erklärten ihr Kolleginnen und Kollegen, was Akne inversa bedeutet und welche Schmerzen sie verursachen kann. „Ich habe zum Beispiel klar gesagt: Ich habe eine chronische Hauterkrankung mit offenen Wunden im Intimbereich – welche sehr schmerzhaft sind. Danach hat das Kollegium gesagt: ‚Lass mich das machen‘, oder ‚du musst dich nicht quälen‘.“ Ohne diese Aufklärung wäre das Verständnis für Geraldine in akuten Phasen nicht möglich gewesen.

Auch in ihrer Partnerschaft war Ehrlichkeit entscheidend. „Wenn es nicht ging, wurde ich unterstützt mit Zuspruch: ‚Dann lass uns das nicht machen, wir warten, bis es dir wieder besser geht.‘ Das nimmt einem enorm den Druck.“ Mit dieser Einstellung und Offenheit konnte sie den nächsten Schritt wagen – hin zu einer neuen Therapie, die ihr Leben nachhaltig verändert hat.

„Es wurde nicht tief genug geschnitten – nach eineinhalb Jahren war alles wieder da.“

– Geraldine

Der Wendepunkt: Eine Hautärztin, die mich umfassend aufklärte

Als Geraldine mit etwa 30 ihren Job als medizinische Fachangestellte bei einer Hautärztin antrat, kam die Wende. Ihre Chefin und mittlerweile behandelnde Dermatologin „hat mich endlich umfassend aufgeklärt: was Akne inversa ist, welche Möglichkeiten es gibt, und dass es spezialisierte Kliniken gibt“, erinnert sich Geraldine.

Über diese Ärztin kam Geraldine in eine Fachklinik, wo sie sich vor kurzem einer großen Operation unterzog. „Es war ein radikaler Schritt, alle Entzündungsherde rausschneiden zu lassen – aber der richtige. Seitdem habe ich Ruhe“, freut sich Geraldine.

„Die Operation war mein Befreiungsschlag.“

– Geraldine

Im Mai 2025 ließ sich Geraldine alle betroffenen Areale im Intimbereich in einer großflächigen Operation entfernen. Die größte Narbe misst nach der OP ganze 14 x 7 Zentimeter und war bis zu 6 Zentimeter tief. „Klar, die Wunden waren groß, aber sie taten nicht weh. Nach drei Monaten war dann auch alles verheilt – und ich bin schmerzfrei“, sagt Geraldine. Heute ist ein kaum erkennbarer feiner, blasser Streifen übrig geblieben von den Wunden.

Für Geraldine war die OP ein Befreiungsschlag: „Drei Monate Heilung im Vergleich zu Jahren voller Schmerzen – das ist kein Zeitfaktor. Ich würde es jederzeit wieder machen“, betont sie.

Knuts bedingungslose Akzeptanz

Ein wichtiger Bestandteil ihres Alltags, der sie auch durch diese schwierigen Zeiten gebracht hat, sind ihre Hunde, besonders Knut, der blonde Labrador ihrer Eltern. „Hunde lieben dich so, wie du bist – mit oder ohne Krankheit. Sie sehen nicht die Narben, sie sehen den Menschen.“

Auch an schlechten Tagen und vor ihrer OP ging Geraldine mit Knut spazieren. „Manchmal bin ich komplett abgeklebt losgegangen – egal, wie ich mich gefühlt habe. Hauptsache, mein Hund kommt raus. Das gibt mir Freiheit“, erinnert sie sich.

akne inversa Betroffene Geraldine

Zurück ins Leben

Heute arbeitet Geraldine wieder voll als Physiotherapeutin. Sie kann wieder auf normalen Stühlen sitzen, schwimmen gehen und in die Sauna – Aktivitäten, die sie jahrelang gemieden hat. „Das sind kleine Dinge, die aber so viel Lebensqualität zurückbringen“, erzählt Geraldine.

„Die Akne inversa bestimmt nicht mehr meinen Alltag – meinen Alltag bestimme ich.“

– Geraldine

Geraldines Rat an andere Betroffene mit Akne inversa

„Sucht euch eine Dermatologin oder Dermatologen, die oder der euch ernst nimmt und wirklich aufklärt. Bleibt offen – je mehr ihr euch verschließt, desto schwerer wird es. Und habt keine Angst vor der Behandlung. Sie kann ein neuer Anfang sein“, fordert Geraldine.

Auch Angehörigen rät sie zu Verständnis und Offenheit: Sie sollten keinen Druck aufbauen, gerade in intimen Situationen. Angehörige sollten zuhören und Rücksicht nehmen. „Das macht die halbe Miete aus“, findet Geraldine.

Geraldine betont, dass man sich nicht verschließen und keine Angst davor haben soll, auf Ablehnung zu treffen: „Heutzutage darf man eigentlich nicht mehr für eine Erkrankung auf Ablehnung treffen – das muss man ganz klar so sagen“, unterstreicht Geraldine.

„Man darf sich mit dieser Erkrankung nicht verstecken. Sie ist ein Teil von mir, aber sie definiert mich nicht. Verständnis statt Ablehnung – das ist, was wir brauchen.“

– Geraldine

Geraldines Weg mit Akne inversa

In deiner Haut steckt niemand geringeres als du selbst und das dein ganzes Leben lang. Umso wichtiger ist es, dass du dich darin so wohl wie möglich fühlst – trotz Akne inversa. Heute gibt es gute Möglichkeiten, dies zu erreichen. Sprich mit deiner Hautärztin bzw. deinem Hautarzt!