Neurodermitis: Herausforderungen jenseits der Haut

Die körperlichen Symptome wie Rötungen, rissige Haut, Juckreiz, Entzündungen und Ekzeme sind lediglich die eine Seite der Herausforderungen, denen sich Menschen mit Neurodermitis stellen müssen. Die andere Seite geht noch viel weiter, denn nicht nur die Haut leidet, sondern auch die Psyche. Häufiger Juckreiz lässt nachts keinen erholsamen und durchgängigen Schlaf aufkommen. Entsprechend ist die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit reduziert. Doch auch Stigmatisierung, Diskriminierung und Scham setzen die Betroffenen unter Stress. Kaum verwunderlich, dass Menschen mit Neurodermitis ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen, insbesondere Depression und Angststörungen haben. 1 Das Problem: Stress und innere Anspannung können das Auftreten von Neurodermitis-Schüben begünstigen und die Symptome verstärken. Ein wahrer Teufelskreis beginnt, der durch das Verhalten von Kolleginnen und Kollegen und Kundinnen und Kunden im Arbeitsumfeld noch verstärkt werden kann.

Stigmatisierung, Diskriminierung, Mobbing – drei Worte für ein Verhalten?

Fragende Blicke, Getuschel hinter dem Rücken, Gespräche, die abrupt abreißen, sobald man das Zimmer betritt – unangenehme, verletzende Situationen wie diese hat jeder schon einmal erlebt. Menschen mit Neurodermitis begegnen ihnen jedoch sehr regelmäßig. Zudem stellt sich die Frage, wann reine Neugierde übergriffig wird und ab wann von Stigmatisierung, Diskriminierung und/oder Mobbing die Rede ist.

Schauen wir uns die einzelnen Definitionen einmal genauer an:

Stigmatisierung: Unter Stigmatisierung versteht man eine Unterscheidung oder Abgrenzung einer Person oder Personengruppe in negativer Weise aufgrund eines bestimmten Merkmals, einer Eigenschaft oder eines Zustandes. 2 Ein Stigma umfasst dabei alle negativen Meinungen, Vorurteile und Diskriminierungen. Womit wir beim zweiten Punkt wären …

Diskriminierung: Diskriminierung ist eine grobe Verletzung der Menschenrechte. Im rechtlichen Sinne versteht man darunter eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung aufgrund von „Rasse“, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Orientierung. 3 Dabei liegen einer Diskriminierung in der Regel eine stereotype Normalitätserwartung sowie Vorurteile zugrunde.
Mobbing: Bei Mobbing handelt es sich um absichtliche, gezielte und vor allem wiederholte Angriffe auf Personen oder Personengruppen, um diese in ihrer sozialen Gruppe auszugrenzen. 4 Jeder vierte Mensch wird im Laufe seines Lebens Opfer von Mobbing am Arbeitsplatz.5 In der Regel handelt es sich hierbei um eine Minderheit innerhalb der sozialen Gruppe, die sich beispielsweise hinsichtlich der körperlichen Erscheinung von der Mehrheit unterscheidet. Womit wir bei Menschen mit Neurodermitis als potenzielle Mobbingopfer wären.
Zusammenfassend kann man sagen, dass Menschen aufgrund ihrer Neurodermitis bei Stigmatisierung negativ gesehen, bei Diskriminierung negativ behandelt werden. Bei Diskriminierung handelt es sich wiederum um eine spezielle Form des Mobbings.6 Die Folgen können sowohl körperlich als auch psychisch sein. Dazu zählen Neurodermitis-Schübe, Schmerzen, Magen-Darm-Beschwerden, Persönlichkeitsveränderungen, dauerhaft niedriges Selbstbewusstsein bis hin zu Ängsten und Depressionen. Personen, die Diskriminierung ausgesetzt sind, werden nicht selten arbeitsunfähig.6,7

Welche Auswirkungen Diskriminierung am Arbeitsplatz auf Betroffene haben kann

Der Leidensdruck von Menschen, die unter Diskriminierung am Arbeitsplatz leiden, ist enorm hoch. Bei Betroffenen mit Neurodermitis können insbesondere Hautveränderungen an unbedeckten Körperstellen zu Diskriminierung führen. Umfragen haben ergeben, dass 57 % aller Betroffenen emotional belastet sind – je schwerer die Erkrankung, desto höher die Belastung.

Tipps für einen gesunden Umgang mit „ungesunden“ Kolleginnen und Kollegen

Doch was kann man konkret dagegen tun, wenn Kolleginnen bzw. Kollegen diskriminierendes Verhalten an den Tag legen? In erster Linie aufklären. Abwertendes Verhalten entsteht häufig durch Vorurteile, die wiederum auf Unwissenheit basieren. Gehe offen mit deiner Erkrankung um. Erkläre deinem Umfeld, dass es sich bei Neurodermitis um eine chronische Hauterkrankung handelt, die nicht ansteckend ist. Nimm die Situation auf keinen Fall einfach hin. Je länger sie anhält, umso schlimmer wird es in der Regel. Hören die Anfeindungen und Ausgrenzungen nach der Aussprache nicht auf, sollten die Vorgesetzten ins Boot geholt werden.

Unterstützung solltest du dir zudem auf professioneller Ebene holen. Deine Dermatologin bzw. dein Dermatologe kann die erste Anlaufstelle sein, um eine psychische Belastung anzusprechen. Sie haben häufig Kontakt zu Psychodermatologinnen bzw. Psychodermatologen oder -therapeutinnen bzw. -therapeuten, die die Auswirkungen der Erkrankung verstehen und damit umzugehen wissen. Sie können dir helfen, dein Selbstbewusstsein zu stärken, Lösungen für schwierige Situationen zu finden und mit der Neurodermitis leben zu lernen. Zu den psychotherapeutischen Ansätzen zählen u.a. Aufklärung, kognitive Verhaltenstherapie, motivierende Gespräche oder auch Meditation und Entspannungsübungen. Alle können sich positiv auf die Lebensqualität, Depressionen und Ängste auswirken.
Nicht zuletzt solltest du gut auf dich achten und herausfinden, was du benötigst, um dich an deinem Arbeitsplatz wohlzufühlen. Gibt es Möglichkeiten, die Umgebung zu optimieren? Deponiere beispielsweise Cremes in der Schreibtischschublade, sodass du deine Haut sofort entlasten kannst, wenn sie zu spannen anfängt. Auch ein Anti-Juckreiz-Spray kann helfen, besser durch den Arbeitsalltag zu kommen. Zudem sollten die Oberflächen von Schreibtisch, Tastatur, Bildschirm etc. regelmäßig desinfiziert werden, um die Viren- und Bakterienbelastung zu minimieren. Sprich zudem mit deiner Hautärztin bzw. deinem Hautarzt über eine Anpassung der Behandlung, wenn du Veränderungen deines Hautzustandes bemerkst.

Kurz und knapp: Umgang mit Diskriminierung am Arbeitsplatz

  • Du muss nicht alles allein bewältigen. Die Auswirkungen von Neurodermitis beschränken sich nicht allein auf die Haut – auch die Psyche leidet. Suche dir rechtzeitig professionelle Unterstützung, bevor die Belastung zu groß wird.
  • Durchbreche den Teufelskreis. Stress wirkt sich negativ auf die Neurodermitis aus und ein Neurodermitis-Schub kann zu Stress führen.
  • Gehe möglichst offen mit deiner Erkrankung um. Häufig reicht bereits Aufklärung, um Vorurteile bei Kolleginnen und Kollegen abzubauen.
  • Lasse dir nicht alles gefallen. Niemand hat das Recht, jemand anderen auszugrenzen. Wenn dein offener Umgang mit der Neurodermitis nicht zum gewünschten Erfolg führt, gehe einen Schritt weiter und beziehe deine Vorgesetzten ein.

In deiner Haut steckt niemand geringeres als du selbst und das dein ganzes Leben lang. Umso wichtiger ist es, dass du dich darin so wohl wie möglich fühlst – trotz Neurodermitis. Heute gibt es gute Möglichkeiten, dies zu erreichen. Warum sich also mit weniger zufriedengeben? Sprich mit deiner Hautärztin bzw. deinem Hautarzt!

Quellen