Ich bin niedergelassener Dermatologe in der Nähe von Berlin und Kassenarzt seit 2014. Zuvor war ich rund zehn Jahre in Bonn tätig, davor bei der Bundeswehr. In meiner Praxis betreue ich ein breites Spektrum an Patientinnen und Patienten – von medizinisch-dermatologischen bis hin zu kosmetischen Anliegen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf chronisch-entzündlichen Hauterkrankungen, insbesondere auf Psoriasis und Neurodermitis. Auch Kinder und Jugendliche gehören dabei regelmäßig zu meinen Patientinnen und Patienten.
Wie häufig ist Psoriasis im Kindes- und Jugendalter und was ist dabei besonders?
Psoriasis tritt bei etwa 0,7 Prozent der unter 18-Jährigen auf. Damit ist sie deutlich seltener als beispielsweise Neurodermitis. Besonders häufig betroffen sind junge Erwachsene, doch auch Kinder können erkranken. Möglich ist auch, dass junge Betroffene irrtümlich die Diagnose Neurodermitis erhalten und dadurch eine andere Behandlung erfahren, weil juckende, gerötete Hautstellen bei Kindern oft automatisch mit Neurodermitis assoziiert werden.
Welche Herausforderungen ergeben sich bei der Diagnose von Psoriasis bei Kindern?
Die Diagnose ist bei Kindern oft schwieriger, weil Psoriasis und Neurodermitis sich ähneln können. Früher galt Juckreiz als klares Unterscheidungsmerkmal – das ist nach heutigen Erkenntnissen nicht so mehr so eindeutig. Zwar tritt der Juckreiz meist stärker bei Neurodermitis auf, doch auch Kinder und Erwachsene mit Psoriasis können Juckreiz empfinden. Hinzu kommt, dass Mischformen oder Übergänge zwischen beiden Erkrankungen möglich sind. Bei sehr jungen Kindern ist außerdem die Kommunikation eingeschränkt – Elternbeobachtungen sind daher wichtig, aber leider nicht immer präzise. Hautbiopsien zur Diagnose sind nicht immer eindeutig und dazu bei kleinen Kindern nur eingeschränkt zumutbar.
Wie unterscheidet sich Psoriasis bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen?
Das Erscheinungsbild bei Kindern unterscheidet sich häufig von dem bei Erwachsenen: Die Hautveränderungen sind meist kleinfleckiger und weniger stark verhornend. Typisch ist die sogenannte Guttata-Form – tropfenförmige, schuppende Effloreszenzen, die oft im Anschluss an Infekte, insbesondere durch Streptokokken, auftreten.
Die „typischen“ ausgeprägten, stark schuppenden Plaques an Ellenbogen oder Knien, wie sie bei Erwachsenen häufig vorkommen, sind bei Kindern dagegen seltener. Mit zunehmendem Alter zeigen Jugendliche dann häufiger die klassischen Psoriasis-Verläufe.
Eltern sollten aufmerksam werden, wenn sich nach einem Infekt plötzlich kleine, schuppige Flecken auf der Haut ihres Kindes bilden – vor allem am Rumpf oder an den Extremitäten.
Psoriasis: Guttata-Form
Die Psoriasis Guttata-Form ist eine Sonderform. Sie zeigt sich durch zahlreiche kleine, tropfenförmige, rote Stellen, die häufig nach Infektionen, insbesondere durch Streptokokken, auftreten.
Am häufigsten betroffen sind Kinder und Jugendliche. Die Hautveränderungen erscheinen typischerweise an Rumpf, Armen und Beinen, können aber auch an anderen Körperstellen vorkommen.
In vielen Fällen heilt die Erkrankung spontan ab, gelegentlich geht sie jedoch in eine chronisch-plaqueförmige Psoriasis über.
Welche Therapieansätze kommen bei Kindern und Jugendlichen mit Psoriasis zum Einsatz?
Bei kleinen Kindern steht die lokale Therapie im Vordergrund – also Cremes, Lotionen und Salben. Moderne Kortisonpräparate sind heute auch für Kinder sicher anwendbar. Wichtig ist eine gute Rückfettung der Haut, z. B. durch Feuchtigkeitslotionen.
Salicylsäurehaltige Präparate dürfen erst ab dem 4. Lebensjahr und dann auch nur sehr vorsichtig und nicht großflächig angewendet werden. Mehr zu Therapieoptionen zur äußerlichen Therapie bei Psoriasis erfährst du hier.
Lichttherapien werden bei Kindern aufgrund möglicher Langzeitrisiken, wie einer erhöhten Hautkrebsgefahr, nicht mehr empfohlen. Für Kinder ab 6 Jahren kommen bei mittelschweren bis schweren Verläufen auch moderne systemische Therapien infrage. Konventionelle systemische Therapien sind erst ab dem 18 Lebensjahr zu empfehlen. Hier erfährst du mehr zu den Therapien.
Darf man Schuppen abkratzen?
Ganz klar: Nein, macht wenig Sinn, denn das Abkratzen kann die Haut zusätzlich reizen oder gar verletzen und damit neue Herde auslösen – den sogenannten Koebner-Effekt .
Stattdessen sind Ölbäder oder abschuppende, milde Präparate mit Harnstoff empfehlenswert. Harnstoff wirkt sanft, macht die Haut geschmeidiger und verbessert die Aufnahme anderer Wirkstoffe.
Eltern sollten außerdem auf Druckstellen achten – etwa durch zu enge Kleidung, Rucksäcke oder Gürtel –, denn auch hier können neue Psoriasisherde entstehen.
Wie können Eltern ihre Kinder aktiv in die Behandlung einbeziehen?
Ganz wichtig ist, den Kindern die Angst zu nehmen. Ich erkläre immer: „Der Arzt schaut sich nur die Haut an – es wird nichts gemacht, was du nicht willst.“
Je mehr Kinder verstehen, dass sie mitreden dürfen, desto besser klappt die Behandlung.
Welche Tipps haben Sie, um den Alltag mit Psoriasis zu erleichtern?
Struktur hilft! Ein klarer Pflegeplan mit festen Zeiten schafft Routine. Außerdem sollten Eltern offen mit Lehrerinnen und Lehrern, Betreuerinnen und Betreuern oder anderen Eltern sprechen. So lassen sich Missverständnisse und Stigmatisierung vermeiden.
Ein Urlaub am Meer oder eine Reha-Maßnahme an der See kann zusätzlich helfen – Sonne, Salzwasser und Entspannung tun der Haut und der Seele gut.
Wie können Eltern ihre Kinder im Umgang mit der sichtbaren Erkrankung unterstützen?
Kinder reagieren stark auf die Reaktionen anderer. Eltern sollten aktiv aufklären, dass Psoriasis nicht ansteckend ist. Kleidung, die betroffene Stellen abdeckt, kann helfen, wenn das Kind sich unwohl fühlt.
Auch der Kontakt zu anderen Betroffenen – etwa in Selbsthilfegruppen oder bei Reha-Aufenthalten – stärkt das Selbstbewusstsein enorm. Kinder merken: „Ich bin nicht allein.“
Tipp
Wenn Eltern zu viel Fokus auf das erkrankte Kind legen, kann das bei Geschwistern zu Neid oder Rückzug führen. Es ist entscheidend, dass Normalität im Familienalltag bewahrt wird. Alle Kinder sollten spüren: Sie sind gleich wichtig.
Haben Sie positive Beispiele aus Ihrer Praxis, die Mut machen?
Ja, viele. Besonders gute Erfahrungen habe ich mit Mutter-Kind-Kuren gemacht. Kinder lernen dort, dass andere dieselbe Erkrankung haben, und gewinnen dadurch Selbstvertrauen. Eltern erleben Entlastung, und die familiäre Stimmung verbessert sich nachhaltig. Oft halten die positiven Effekte noch lange nach der Reha an.
Kurz und knapp: Was sollten Eltern von Kindern und Jugendlichen mit Psoriasis wissen?
- Psoriasis betrifft etwa 0,7 Prozent der unter 18-Jährigen – sie kann schon im Kindesalter auftreten, oft nach Infekten.
- Die Erkrankung zeigt sich bei Kindern meist kleinfleckig oder tropfenförmig und wird leicht mit Neurodermitis verwechselt.
- Frühe Diagnose und konsequente Hautpflege mit rückfettenden und entzündungshemmenden Cremes sind entscheidend.
- Schuppen nicht abkratzen – sanfte Pflege mit Ölbädern oder Harnstofflotionen schützt die Haut.
- Offene Aufklärung und Routine im Alltag helfen, Angst und Scham zu vermeiden.
- Normalität leben und Selbstbewusstsein stärken – etwa durch Reha-Maßnahmen oder Austausch mit anderen Betroffenen.
In deiner Haut steckt niemand geringeres als du selbst und das dein ganzes Leben lang. Umso wichtiger ist es, dass du dich darin so wohl wie möglich fühlst – trotz Psoriasis. Heute gibt es gute Möglichkeiten, dies zu erreichen. Warum sich also mit weniger zufriedengeben? Sprich mit deiner Hautärztin bzw. deinem Hautarzt!