Herr Prof. Dr. Gieler, gibt es bestimmte Anzeichen, anhand derer man erkennen kann, dass Haut und Psyche sich gegenseitig beeinflussen?
In der Tat gibt es einfache Beispiele, die zeigen, dass die Haut auf unsere Psyche reagiert. Nehmen wir beispielsweise die Gänsehaut. Sie kann unwillkürlich entstehen, wenn unser Körper physikalisch auf Kälte reagiert. Aber auch bei Emotionen wie Freude, Mitgefühl oder Ekel kann Gänsehaut entstehen. Ein weiteres Beispiel ist der Juckreiz von Psoriasis-Betroffenen. Ca. 70 % meiner Patienten und Patientinnen berichten mir, dass sie einen mehr oder weniger starken Juckreiz verspüren. Dieser verschlimmert sich, sobald sie in psychische Spannungs- oder Stresssituationen kommen.
Was können Psoriasis-Betroffene tun, wenn sie einen Zusammenhang zwischen psychischer Anstrengung und ihrer Psoriasis feststellen?
Psoriasis-Betroffene, die einen Zusammenhang zwischen ihrer Psoriasis und psychischer Belastung wie Stress, Stigmatisierung oder Diskriminierung feststellen, sollten versuchen zu lernen, wie sie mit ihrer aktuellen Lebenssituation umgehen können.
„Alle Patienten und Patientinnen, die feststellen, dass ihre Psoriasis auf psychischen Stress reagiert, haben schon einen ganz wichtigen Schritt getan. Denn durch die Wahrnehmung und Akzeptanz von Stress wird nachweislich starken Schüben oder Rückfällen vorgebeugt.“
– Prof. Dr. Uwe Gieler
Der erste Schritt ist sich zu überlegen, ob man dies allein bewältigen kann. Meiner Erfahrung nach müssen vor allem Menschen mit Psoriasis besonders achtsam sein, da sie dazu neigen, alles lieber mit sich selbst zu vereinbaren. Wenn sie das Bedürfnis haben, Probleme mit bestimmten Situationen bzw. mit anderen Menschen aufzuarbeiten, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Wenn es allein nicht gelingt, können dies Angehörige oder Vertraute sein oder auch eine Selbsthilfegruppe. Spätestens bei schwerwiegenden Problemen ist der Zeitpunkt gekommen, sich professionelle Hilfe zu suchen. Hauptsache, die Betroffenen haben am Ende eine Person gefunden, der sie sich anvertrauen und offenbaren können.
„Neben Gesprächen mit Angehörigen, Vertrauten oder Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen können auch Entspannungstechniken, ambulante Psychotherapie oder stationäre Behandlungen (Akut-Psychosomatik oder Reha-Behandlungen) helfen, Stress zu reduzieren.“
– Prof. Dr. Uwe Gieler
Tipp:
Auf der „Bitte berühren“-Website findest du einen passenden Ratgeber zum Thema „Unterstützungsmöglichkeiten“ und „Techniken zur psychischen Entlastung “. Schau vorbei und finde heraus, welche Methode zu dir passt.
Was raten Sie Psoriasis-Betroffenen, die sich bezüglich ihrer psychischen Gesundheit von ihrer Hautärztin oder ihrem Hautarzt nicht ernst genommen fühlen?
Grundsätzlich hoffe ich, dass inzwischen allen Hautärzten und Hautärztinnen bewusst ist, dass die psychische Gesundheit Einfluss auf chronische Hauterkrankungen wie die Psoriasis haben kann. Was ich mir allerdings gut vorstellen kann, ist, dass das Thema aufgrund von zeitlichen Engpässen nicht ausführlich genug besprochen wird.
„Ich rate Patienten und Patientinnen sich auf das Gespräch in der Sprechstunde vorzubereiten. Überlege und notiere dir die 3-5 wichtigsten Fragen, die du gern mit deiner Hautärztin oder deinem Hautarzt besprechen möchtest.“
– Prof. Dr. Uwe Gieler
Sollten Betroffene gänzlich auf Ablehnung stoßen oder das Arzt-Patienten-Verhältnis durch Misstrauen gestört sein, dann ist es an der Zeit, sich an die entsprechende Spezialistin bzw. den entsprechenden Spezialisten zu wenden.
Sie sind Spezialist für den Bereich Psychodermatologie. Was genau kann man sich darunter vorstellen?
Psychodermatologen und -dermatologinnen beschäftigen sich mit dem Zusammenhang zwischen Hauterkrankungen und psychischen Reaktionen und Problemen. Auf der einen Seite können das Dermatologen und Dermatologinnen sein, die eine zusätzliche Ausbildung im Bereich der Psychosomatik, Psychotherapie oder Psychiatrie haben. Auf der anderen Seite gibt es auch Psychologen und Psychologinnen, die sich im Laufe ihrer Arbeit auf chronische Hauterkrankungen und ihre Auswirkungen auf die menschliche Psyche spezialisiert haben. Ich persönlich habe sowohl einen Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten als auch den Facharzt für Psychosomatik und Psychotherapie.
Wie können Psoriasis-Betroffene auf Psychodermatologen zugehen?
Die Psychotherapie in Deutschland gehört in die kassenärztliche Versorgung. Das heißt, dass jeder Mensch, der in Deutschland krankenversichert ist, die Möglichkeit hat, mit einer Überweisung seiner Hausärztin, seines Hausarztes oder eben der Dermatologin bzw. des Dermatologen professionelle psychische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Wichtig ist, dass die Psychologin bzw. der Psychologe die Leistungen über die kassenärztliche Vereinbarung abrechnen kann. Dadurch müssen Patienten und Patientinnen die Kosten nicht privat tragen.
„Frage bei der Psychologin bzw. dem Psychologen vorab an, ob dieser mit der Psoriasis vertraut ist und vor welchen Herausforderungen Betroffene im Umgang mit der Erkrankung stehen.“
– Prof. Dr. Uwe Gieler
In schwerwiegenden Fällen wie Selbstverletzung und suizidale Gedanken können Hautärzte bzw. Hautärztinnen auch eine direkte Überweisung in eine nahegelegene psychosomatische bzw. auch psychiatrische Ambulanz oder zur ambulanten Psychotherapie ausstellen. Es gibt stationäre Einrichtungen, wie ich sie beispielsweise repräsentiere, die auf psychodermatologische Behandlungen spezialisiert sind und wo ein psychosomatisches Konzept angeboten wird, bei dem auch die Therapie der Haut gewährleistet ist.
Tipp:
Welche Möglichkeiten Angehörige und Nahestehende haben, um Schuppenflechte-Betroffene im Umgang mit der Erkrankung zu unterstützen, erklärt Marius Grosser, Geschäftsführer des Deutschen Psoriasis Bundes e.V. (DPB) im Interview mit „Bitte berühren“.
Können Angehörige und Nahestehende von Psoriasis-Betroffenen in Bezug auf die psychische Gesundheit unterstützen?
Ja, Angehörige und Vertraute haben sehr gute Möglichkeiten, Psoriasis-Betroffene zu unterstützen, weil sie in der Regel eine Vertrautheit mit den Patienten und Patientinnen sowie Kenntnis über deren Charaktereigenschaften besitzen. Sie können ganz im Sinne der offenen Kommunikation immer wieder ihre Bereitschaft, über Dinge zu sprechen, anbieten. Gleichzeitig können sie auch Betroffene darauf aufmerksam machen, wenn sie sich immer weiter aus dem sozialen Leben zurückziehen und/oder Arzt-Besuche vermehrt meiden.
„Wichtig bei der Unterstützung durch Familienmitglieder oder Vertraute ist, dass diese keinen zusätzlichen Druck auf die Betroffenen ausüben. Zeige Verständnis und Mitgefühl für die Situation und bietedeine Hilfe immer wieder an.“
– Prof. Dr. Uwe Gieler
Welche Auswirkungen können Berührungen auf die psychische Gesundheit haben?
Berührungen sind entscheidend, auch für Hautpatienten und Hautpatientinnen. Nach einer angenehmen Berührung werden Stresshormone abgebaut, Ängste reduziert und das Abwehrsystem gestärkt. Leider erfahren viele Psoriasis-Betroffene bereits im Kindesalter weniger elterliche Berührung, was das Gefühl von emotionaler Vernachlässigung in der frühen Kindheit und darauf aufbauend die genetische Disposition der Psoriasis fördern kann. Das überträgt sich natürlich ins Erwachsenenalter.
„Wichtig bei der Unterstützung durch Familienmitglieder oder Vertraute ist, dass diese keinen zusätzlichen Druck auf die Betroffenen ausüben. Zeige Verständnis und Mitgefühl für die Situation und bietedeine Hilfe immer wieder an.“
– Prof. Dr. Uwe Gieler
Herr Prof. Dr. Gieler, vielen Dank für das Interview.
In deiner Haut steckt niemand geringeres als du selbst und das dein ganzes Leben lang. Umso wichtiger ist es, dass du dich darin so wohl wie möglich fühlst – trotz Psoriasis. Heute gibt es gute Möglichkeiten, dies zu erreichen. Warum sich also mit weniger zufriedengeben? Sprich mit deiner Hautärztin bzw. deinem Hautarzt!