Herr Dr. von Kiedrowski, was genau ist die „S3-Leitlinie Therapie der Psoriasis vulgaris“?
Leitlinien sind Nachschlagewerke, die medizinische Daten und Empfehlungen für die Diagnostik und Therapie von bestimmten Krankheitsbildern zusammenfassen. Sie können von Ärztinnen und Ärzten als Informationsquelle sowie Maßstab zur bestmöglichen Behandlung herangezogen werden. Insgesamt gibt es drei verschiedene Stufen, eine S1-, S2- und S3-Leitlinie, wobei die Zahl die Stärke der Evidenz widerspiegelt. Die Leitlinie zur Behandlung der Psoriasis hat den höchsten Grad und lässt sich somit als „S3-Leitlinie“ definieren. Die S3-Leitlinie zur Psoriasis basiert auf Studienergebnissen, ausführlicher Literaturrecherche und einem zweistufigen Konsensusverfahren. Dementsprechend bietet sie fundierte Grundlage für die Psoriasis-Behandlung.
Die „S3-Leitlinie Therapie der Psoriasis vulgaris“ ist als „Living Guideline“ konzipiert. Was bedeutet das?
Es werden kontinuierliche neue Studiendaten veröffentlicht und neue Medikamente zur Behandlung der Psoriasis zugelassen. Mit dem Prinzip der „Living Guideline“ möchten wir festhalten, dass eine Leitlinie stetig aktualisiert werden muss. Kurz gesagt: „nach der Leitlinie ist vor der Leitlinie“.
Wie sieht eine leitliniengerechte Therapie für Psoriasis-Betroffene aus?
Die passende Psoriasis-Therapie zu finden ist sehr individuell und sollte immer von Arzt und Patient gemeinsam besprochen werden. Die Leitlinie bietet dafür die richtige Grundlage bzw. beantwortet die Frage: „Was muss ich mir anschauen?“ Es kann beispielsweise damit losgehen, dass der Schweregrad der Psoriasis bestimmt werden muss. Dieser bezieht sich nicht nur auf die Auswirkungen der Erkrankung auf die Haut, sondern berücksichtigt auch den persönlichen Leidensdruck bzw. die Einschränkung der Lebensqualität von Betroffenen. Zusätzlich sollten auch eventuelle Begleiterkrankungen sowie „weichere Faktoren“ berücksichtigt werden. Weiche Faktoren können beispielsweise die Applikationsart (Tablette, Spritze oder Infusion) oder die Applikationsintervalle (wöchentliche oder quartalsweise Gabe) sein.
„Inzwischen können wir aus einem großen Pool von modernen Medikamenten schöpfen, sodass sich Patienten und Patientinnen die vollständige Erscheinungsfreiheit als Therapieziel setzen können.“
– Dr. Ralph von Kiedrowski
Viele Betroffene bekommen noch nicht die bestmögliche Therapie. Woran liegt das und wie kann die Gesamtsituation verbessert werden??
Für mich steht hier die grundsätzliche Aufklärung von dermatologischen Experten bzw. Expertinnen und Betroffenen im Vordergrund. Ich sehe viele Patienten und Patientinnen, die seit über 30 Jahren an Psoriasis leiden und gar nicht wissen, dass es inzwischen moderne Therapieoptionen gibt. Sie denken, dass wir nach wie vor nur mit Kortison und einem 3-wöchigen Ausflug ans Tote Meer therapieren können – und das ist damals wie heute nur eine kurzfristige Lösung. Wenn wir also diese Patienten und Patientinnen durch Aufklärungskampagnen wie „Bitte berühren“ erreichen können, ist das ein großer Schritt in die richtige Richtung. Zum anderen müssen wir auch die Hautärztinnen und Hautärzte über die aktuellen Behandlungsmöglichkeiten informieren, da sie nach wie vor nicht flächendeckend zur Verfügung stehen. Bei einer Auswahl von über 28 Substanzen können wir nicht von jedem verlangen, zur Psoriasis-Spezialistin oder zum Psoriasis-Spezialisten zu werden. Aber ich muss betonen, dass systemische, also innerliche Therapien in der Dermatologie heute grundsätzlich den allgemeinen Fachärztestandards entsprechen, die damit auch in jeder Praxis angeboten werden müssen.
„Aufklärung ist eins der großen Ziele des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen, und zwar sowohl von Fachärzten und Fachärztinnen als auch von Patienten und Patientinnen. Je größer das Wissen über moderne Therapieoptionen ist, desto mehr Psoriasis-Betroffene können bestmöglich behandelt werden.“
– Dr. Ralph von Kiedrowski
Die Therapieleitlinie der Psoriasis möchte Betroffene über das Krankheitsbild und die verschiedenen Behandlungsoptionen aufklären. Wem würden Sie das Nachschlagewerk empfehlen?
Je schwerer die Psoriasis ausgeprägt ist, umso wichtiger ist es, sich mit der eigenen Erkrankung und Therapie auseinanderzusetzen. Das kann vor allem die Kommunikation mit der Hautärztin oder dem Hautarzt erleichtern. Die Zeit eines Termins kann so effektiv für den Austausch zu Therapiezielen und Behandlungsmöglichkeiten genutzt werden. Zusätzlich finden Betroffene in der Patientenleitlinie vom Deutschen Psoriasis Bund geprüftes und gebündeltes Wissen.
Wenn du mehr über die Patientenleitlinie vom Deutschen Psoriasis Bund wissen möchtest, dann kannst du hier mehr erfahren.
Hinweis der „Bitte berühren“-Redaktion
Die Patientenleitlinie informiert übersichtlich sowie leicht verständlich über alle Therapiemöglichkeiten, die in Deutschland zur Behandlung der Psoriasis derzeit verordnet werden können. Darüber hinaus geht sie auch auf spezielle Lokalisationen, besondere Formen der Psoriasis und Behandlung möglicher Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) ein. Durch sie können Interessierte ihr Wissen zur Psoriasis und deren Therapie regelmäßig aktualisieren und Betroffene die Behandlung der eigenen Erkrankung aktiv mitgestalten.
Du möchtest einen Blick in die Patientenleitlinie werfen? Als Herausgeber stellt der DPB die Broschüre seinen Mitgliedern kostenlos sowie Nicht-Mitgliedern für 2,49 € zum Download auf der Vereinswebsite zur Verfügung. Hier gelangst du direkt zur Leitlinie.
Ein Termin bei der Hautärztin oder dem Hautarzt ist oft zeitlich begrenzt. Was würden Sie Betroffenen empfehlen, um die Zeit bestmöglich zu nutzen bzw. damit sie mit einem guten Gefühl aus dem Gespräch gehen?
Vorbereitung ist hier das A&O. Ich stelle meinen neuen Patienten und Patientinnen immer Fragen nach Vorbehandlungen, Untersuchungsergebnissen oder Dauermedikationen, da ich sonst keine Therapie einleiten kann. In diesem Fall ist es super, wenn die Unterlagen mitgebracht werden. Natürlich ist es hilfreich, wenn direkt bei Terminvergabe von dem behandelnden Hautarzt bzw. der behandelnden Hautärztin ein entsprechender Hinweis gegeben wird. Wir können also alle gemeinsam daran arbeiten, einen Behandlungstermin so effizient wie möglich zu gestalten. Ein wichtiger Hinweis ist aber auch, dass gerade beim Erstkontakt mit einer schwerbetroffenen Psoriasis-Patientin oder einem schwerbetroffenen Psoriasis-Patienten nie eine Therapie direkt eingeleitet werden kann. Es müssen erst, wie oben angesprochen, verschiedene Aspekte geklärt, spezielle Laboruntersuchungen vorgenommen und anschließend geprüft werden, welche Medikamente zur Verfügung stehen.
Was passiert, nachdem eine Therapie eingeleitet wurde?
Sobald ein Therapieplan feststeht, ist es besonders wichtig, dass sich Betroffene daran halten: die Medikamente ordnungsgemäß nehmen, zu Kontrolluntersuchungen erscheinen oder Dokumentationsbögen gewissenhaft ausfüllen. Außerdem sollten Fragen, Bedenken und Sorgen immer mit den Hautärzten bzw. Hautärztinnen offen angesprochen werden. Es gibt viele verschiedene Behandlungsoptionen, und wenn Betroffene mit ihrer aktuellen Therapie unzufrieden sind, können sie gemeinsam mit den Experten bzw. Expertinnen nach einer Alternative suchen.
Vielen Dank für das Gespräch, Herr Dr. von Kiedrowski.
In deiner Haut steckt niemand geringeres als du selbst und das dein ganzes Leben lang. Umso wichtiger ist es, dass du dich darin so wohl wie möglich fühlst – trotz Psoriasis. Heute gibt es gute Möglichkeiten, dies zu erreichen. Warum sich also mit weniger zufriedengeben? Sprich mit deiner Hautärztin bzw. deinem Hautarzt!