Was sind systemische Therapien?

Innerlich angewendete Therapien werden oft auch als systemische Therapien bezeichnet. Systemisch bedeutet, dass sie im gesamten Körper – im System – wirken. Die Wirkstoffe werden aus ihrer Anwendungsform, das können zum Beispiel Tabletten, Injektionen oder Infusionen sein, in den Blutkreislauf aufgenommen und von dort in den ganzen Körper und somit auch an ihren Zielort verteilt.1

Was gilt es vor der Anwendung von systemischen Therapien zu bedenken?

Abhängig davon, welcher Wirkstoff zur Therapie der Psoriasis eingesetzt werden soll, müssen vor Therapiebeginn einige Punkte beachtet bzw. abgeklärt werden.2

Dazu zählen unter anderem:2

  • Bestimmung des Schweregrades der Psoriasis mittels ausgewählter Instrumente wie zum Beispiel: PASI (Psoriasis Area and Severity Index) oder BSA (Body Surface Area). Zusätzlich sollte das Vorliegen einer Psoriasis-Arthritis abgeklärt werden, da dies die Therapieentscheidung beeinflussen kann.
  • Bestimmung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität erfolgt mit Hilfe validierter Fragebögen wie dem DLQI (Dermatology Life Quality Index). Diese Daten helfen, die subjektive Belastung durch die Erkrankung zu bewerten und die Therapie individuell anzupassen.
  • Je nach ausgewähltem Wirkstoff Durchführung bestimmter Laborkontrollen (z.B. Leberwerte, Nierenwerte, Blutbild).
  • Je nach ausgewähltem Wirkstoff müssen bestimmte Vor- und Begleiterkrankungen identifiziert bzw. ausgeschlossen werden, da sie die Therapie mit dem jeweiligen Arzneimittel beeinflussen können.
  • Je nach ausgewähltem Wirkstoff muss ggf. eine Schwangerschaft ausgeschlossen und über Verhütungsmaßnahmen aufgeklärt werden.
  • Der Impfstatus sollte überprüft und ggf. vervollständigt werden, insbesondere im Hinblick auf (Lebend-)Impfstoffe, die während bestimmter systemischer Therapien möglicherweise nicht angewendet werden dürfen.
  • Weitere von der Betroffenen bzw. dem Betroffenen eingenommene Medikamente sollten der Ärztin bzw. dem Arzt mitgeteilt und auf Wechselwirkungen mit dem neuen Wirkstoff überprüft werden.

Auch während der Therapie müssen je nach Therapieansatz verschiedene Parameter laufend kontrolliert werden – dies übernimmt die behandelnde Ärztin bzw. der behandelnde Arzt während regelmäßiger Kontrollen.

Wann kommen systemische Therapien bei Psoriasis zum Einsatz?

Systemische Therapien werden empfohlen zur Behandlung von mittelschweren bis schweren Formen der Psoriasis bzw. wenn äußerlich angewendete Arzneimittel nicht (mehr) die gezielte Wirkung erreichen.2 Die Auswahl des in jedem individuellen Fall eingesetzten systemisch wirkenden Medikaments hängt von vielen Faktoren ab und ist sehr komplex – sie richtet sich unter anderem nach der Zeit bis zum Wirkungseintritt des Wirkstoffs, Ausprägung und Lokalisation der Symptome, Krankheitsaktivität, Begleiterkrankungen und Allergien bzw. Unverträglichkeiten der Betroffenen.

Expertenrat: Dr. Ralph von Kiedrowski zu systemischen Therapien

„Betroffene mit einer mittelschweren oder schweren Form der Schuppenflechte und entsprechendem Leidensdruck sollten ihren Dermatologen oder ihre Dermatologin aktiv auf systemische Therapien ansprechen.“

Dr. Ralph von Kiedrowski

Innerliche Therapie der Psoriasis: Welche gibt es?

Zur systemischen Therapie der Psoriasis stehen unterschiedliche Wirkstoffe und Wirkansätze zur Verfügung. Gemeinsam haben diese, dass sie über verschiedenste Angriffspunkte das bei Psoriasis überaktive Immunsystem regulieren. Sie hemmen gezielt Botenstoffe oder Enzyme, die die Entzündungen auslösen, oder sie reduzieren die Bildung dieser Stoffe und unterbrechen bzw. regulieren so den Entzündungsprozess der Haut. Auf diese Weise lassen sich die Symptome der Psoriasis meist gut und langfristig kontrollieren.3 Unterscheiden kann man die innerlichen Therapiemöglichkeiten in konventionelle und modernere Arzneistoffe.2

Konventionelle Therapien der Psoriasis

Bei mittelschwerer bis schwerer Psoriasis sollten nach aktuell geltender Leitlinie zur Therapie zunächst konventionelle Systemtherapien eingesetzt werden, wenn hinreichender Anhalt für das Erreichen der Therapieziele besteht. Diese sind bereits seit sehr langer Zeit auf dem Markt verfügbar und hier bestehen die besten Erfahrungswerte. Zu den konventionellen Therapien, die bei der Psoriasis zum Einsatz kommen, zählen Acitretin, Ciclosporin, Dimethylfumarat und Methotrexat.2

Dimethylfumarat (DMF)
DMF hat einen modulatorischen Effekt auf das Immunsystem. Es hat eine hemmende Wirkung auf verschiedene Prozesse des Immunsystems, die bei einer Psoriasis vermehrt stattfinden. Dadurch wirkt es stark entzündungshemmend. DMF kann bei Therapiebeginn zu Magen-Darm-Beschwerden und Hautrötungen (Flush) führen, die sich allerdings im Therapieverlauf häufig legen.4 Wenn das entsprechende Arzneimittel gut auf die Symptome der Psoriasis anspricht und vertragen wird, ist DMF für eine Langzeittherapie geeignet.
Methotrexat

Methotrexat ist ebenfalls ein Wirkstoff, der einen bestimmten Prozess im Körper hemmt und dadurch der Überaktivität des Immunsystems bei Psoriasis entgegenwirkt. Es zählt zu den Immunsuppressiva. Zur Behandlung der Psoriasis wird Methotrexat in einer geringen Dosierung, nur einmal wöchentlich und meist in Form einer Injektion angewendet. Da die Wirkung auf einem Eingriff in den Folsäurestoffwechsel beruht, wird empfohlen, 24h Stunden nach der Anwendung von Methotrexat Folsäure einzunehmen. Welches Präparat hierfür genau geeignet ist, weiß die behandelnde Dermatologin bzw. der behandelnde Dermatologe. Methotrexat eignet sich für eine langfristige Behandlung und die Anwendung kann bei guter Verträglichkeit über Jahre erfolgen. Zu den möglichen Nebenwirkungen zählen Übelkeit, Haarausfall, allgemeines Unwohlsein, aber auch Magen- oder Darm-Geschwüre, Leberschäden oder Lungenentzündung.2,5

Ciclosporin
Ciclosporin gehört zu den sogenannten Immunsuppressiva. Diese hemmen die Aktivierung und Vermehrung von sogenannten T-Zellen. Das sind Immunzellen, die unter anderem für die bei der Psoriasis verstärkte Immunantwort zuständig sind. Dadurch kann es entzündliche Prozesse effektiv abschwächen. Da diese Immunzellen aber für viele Prozesse im Körper wichtig sind, können teilweise schwere Nebenwirkungen – wie Nierenschäden – auftreten. Deshalb darf Ciclosporin nur unter ärztlicher Kontrolle und meist nur kurzfristig eingesetzt werden. Es wird nur bei schweren Verläufen verschrieben.
Acitretin

Acitretin ist ein sogenanntes Retinoid – diese sogenannten Retinoide sind Arzneistoffe, die dem Vitamin A ähneln. Acitretin hat eine hemmende Wirkung auf die schnelle Vermehrung und Verhornung der Hautzellen und damit die Plaque-Bildung bei der Psoriasis.6 Acitretin darf nicht zur Langzeittherapie der Psoriasis eingesetzt werden und aufgrund seiner fruchtschädigenden Wirkung darf der Wirkstoff bei Frauen im gebärfähigen Alter nur bei effektiver Langzeitverhütung (für drei Jahre nach Absetzen des Medikaments) und nach Ausschluss einer Schwangerschaft angewendet werden.2

Modernere systemische Therapien

Seit 2004 stehen auch modernere systemische Therapieformen, die sogenannten Biologika und Small Molecules zur Verfügung. Diese kommen in der Regel zum Einsatz, wenn mit den konventionellen Therapieansätzen kein ausreichender Therapieerfolg bzw. keine ausreichende Wirkung erzielt wurde, dies zu erwarten ist oder wenn diese aufgrund von Wechselwirkungen oder Kontraindikationen (wie z.B. Alter, bestimmte Vor- bzw. Begleiterkrankungen, Schwangerschaft) nicht angewendet werden können.2 Neben den sogenannten Biologika stehen Small Molecules, weitere moderne Wirkstoffe zur Verfügung, die anderen Wirkstoffklassen angehören und in Tabletten-Form angewendet werden.2

Biologika (monoklonale Antikörper)

Die zur Behandlung der Psoriasis eingesetzten Wirkstoffe sind Biologika bzw. genauer Antikörper. Diese richten sich gegen ganz spezielle Botenstoffe des Immunsystems, welche an den Signalwegen beteiligt sind, die bei der Psoriasis-Entstehung eine große Rolle spielen. Die Antikörper fangen diese Botenstoffe ab oder blockieren deren Bindungsstellen und unterbrechen so auch die Signalwege – die Psoriasis wird in ihrem Verlauf aufgehalten bzw. gebremst. Die Botenstoffe, welche von den jeweiligen Antikörpern adressiert werden, können je nach eingesetztem Wirkstoff der sogenannte Tumornekrosefaktor alpha oder die sogenannten Interleukine (IL-) 17, 12 und 23 sein.
Die Antikörper werden als Injektionen direkt unter die Haut verabreicht, in einem Fall auch als Infusion. Dies ist erforderlich, weil durch die Molekülgröße eine Aufnahme über den Magen-Darm-Trakt nicht möglich ist. Nach Aufnahme in der Haut kann die Substanz direkt über das Blut im Körper verteilt und an ihren Wirkort gebracht werden können.2,7
Alle Biologika sind für die Dauertherapie geeignet und zum Teil auch mit anderen Systemtherapeutika kombinierbar.

 

Zurzeit sind folgende Wirkstoffgruppen und Antikörper zur Behandlung der Psoriasis verfügbar:2

Tumornekrosefaktor alpha (TNFα)-Hemmung

  • Infliximab
  • Etanercept
  • Adalimumab
  • Certolizumab-pegol

Interleukin (IL)-17-Hemmung

  • Brodalumab
  • Ixekizumab
  • Secukinumab

Interleukin (IL)-12/23- und Interleukin (IL)-23-Hemmung

  • Ustekinumab

Interleukin (IL)-23-Hemmung

  • Guselkumab
  • Tildrakizumab
  • Risankizumab
Phosphodiesterase-4 (PDE-4)-Hemmer: Apremilast
Apremilast ist ebenfalls ein moderner Therapieansatz – allerdings mit einem anderen Wirkansatz als die Biologika. Der Wirkstoff ist ein sogenanntes „small molecule“ – das sind Moleküle, die, wie der Name sagt, sehr klein sind. Daher kann der Wirkstoff auch im Gegensatz zu den Antikörpern in Form einer Tablette verabreicht werden. Durch die Hemmung des Enzyms mit dem Namen Phosphodiesterase-4 werden die Entzündungsprozesse bei der Psoriasis herunterreguliert.
Januskinase-Hemmer: Deucravacitinib
Deucravacitinib, ist ein weiteres small molecule – der Wirkstoff gehört zu der Gruppe der sogenannten Januskinase-Hemmern (JAK-Hemmer) bzw. Januskinase-Inhibitoren. Januskinase-Hemmer sind moderne Medikamente in Tablettenform, die gezielt bestimmte Enzyme – sogenannte Januskinasen – hemmen. Die Enzyme sind von großer Bedeutung für die Regulation wichtiger Zellfunktionen. Dazu gehört auch die Steuerung von Entzündungsprozessen über verschiedene Botenstoffe. Werden die Enzyme blockiert, kann dadurch auch die Entzündungsreaktion bei einer Psoriasis abgeschwächt oder unterbunden werden. Im spezifischen wird hier bei der Psoriasis der Weg der Botenstoffe Interleukin (IL-)12 und -23 sowie der Typ-1-Interferone gehemmt – das sind zentrale Botenstoffe der Psoriasis-Entzündung.
Im Gegensatz zu Biologika, die die Entzündungsbotenstoffe an ihrer Entstehung hindern, setzen JAK-Hemmer etwas später an und verhindern, dass das Signal in die Zelle weitergegeben wird.8

Psoriasis: Therapieerfolg durch individuelle Anpassung

Wenn ein Medikament nicht ausreichend anschlägt oder nach anfänglichem Erfolg seine Wirkung verliert, stehen verschiedene Optionen zur Verfügung:

  • Dosisanpassung: Wenn zugelassen kann eine Erhöhung der Dosis oder Verkürzung des Behandlungsintervalls die Wirksamkeit wiederherstellen.9
  • Wechsel der Wirkstoffklasse: Ein Umstieg auf einen Wirkstoff mit anderem Wirkmechanismus (z.B. von TNF-alpha-Blockern zu IL-17- oder IL-23-Inhibitoren) kann sinnvoll sein.10
  • Wechsel innerhalb der Wirkstoffklasse: Ein Wechsel auf einen Wirkstoff des gleichen Wirkmechanismus kann sinnvoll sein, da die einzelnen Substanzen z.B. unterschiedliche chemische Eigenschaften haben und daher unterschiedlich lang im Körper bzw. am Wirkort bleiben.
  • Kombinationstherapie: In bestimmten Fällen kann die Kombination verschiedener Wirkstoffe (z.B. Methotrexat mit einem Biologikum) die Wirksamkeit verbessern und die Bildung neutralisierender Antikörper verhindern.11
  • Individualisierte Therapieansätze: Allgemein ist eine genaue Analyse der Krankheitsaktivität und möglicher Einflussfaktoren (wie Begleiterkrankungen, Lebensstil) wichtig, um die Behandlung optimal anzupassen.

Die Entscheidung für einen Therapiewechsel sollte immer in enger Abstimmung mit der behandelnden Dermatologin bzw. dem behandelnden Dermatologen erfolgen. Wenn du das Gefühl hast, deine Therapie ist nicht effektiv genug oder bereitet zu viele Nebenwirkungen, sprich deine Ärztin oder deinen Arzt darauf an – gemeinsam könnt ihr nach einer Alternative suchen.

Du hast noch keine Dermatologin bzw. keinen Dermatologen aufgesucht? Dann nutze die „Bitte berühren“-Dermatologensuche. Bei der Vorbereitung deines ersten Gesprächs mit der Dermatologin oder dem Dermatologen unterstützt dich der „Bitte berühren“-Leitfaden.

Kurz und knapp: Was du zur innerlichen Therapie bei Psoriasis wissen solltest

Wenn ein Medikament nicht ausreichend anschlägt oder nach anfänglichem Erfolg seine Wirkung verliert, stehen verschiedene Optionen zur Verfügung:

  • Indikation für systemische Therapien: Sie werden bei mittelschwerer bis schwerer Psoriasis oder unzureichendem Erfolg äußerlicher Behandlungen eingesetzt. Die Wahl der Therapie berücksichtigt Krankheitsaktivität, Lebensqualität und Begleiterkrankungen wie Psoriasis-Arthritis.
  • Therapieoptionen: Konventionelle Systemtherapien (z. B. Methotrexat, DMF, Ciclosporin), Biologika, PDE-4- und TYK2-Hemmer stehen als First-Line-Therapieoptionen zur Verfügung.
  • Wirkweise: Systemische Therapien regulieren gezielt Entzündungsprozesse im Körper und ermöglichen oft eine langfristige Kontrolle der Symptome sowie eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität.
  • Vorbereitung und Sicherheit: Vor Beginn der Behandlung sind Schweregradbestimmung, Anamnese, Laborkontrollen, Ausschluss von Schwangerschaft, Abklärung von Begleiterkrankungen und Überprüfung des Impfstatus essenziell.
  • Individuelles Therapiekonzept: Bei unzureichendem Ansprechen können Dosisanpassungen, ein Wechsel der Wirkstoffklasse oder Kombinationstherapien helfen, die Behandlung zu optimieren.
Quellen